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Fünf Hunde auf einer Finca


                           In Erinnerung
           an meine fünf besten Freunde
                Hondo, Findus, Kim,
                        Gremlin
                          und
                 Maximiliane von Altea

 

G R E M L I N

Ich komme eigentlich aus einem guten Stall. Meine Mutter war eine reinrassige Pekinesin und ihre Menschen ihr wohl gesonnen. Aber wie das im Leben halt manchmal so geht... die Liebe machte einen Strich durch die Rechnung ihres Lebens. Mama vergaß sich und brannte mit einem echten Casanova durch. Das war das einzig Echte an ihm, zumal er auf einen recht unübersichtlichen Stammbaum zurückschaute. Nach wenigen hektischen Liebesnächten erkannte Mama ihren Fehler und suchte ihr Menschenhaus wieder auf. Doch es war bereits geschehen: Meine Geschwister und ich machten uns taillenmässig schnell bei Mama bemerkbar.
 
Ihre Menschen waren darüber nicht begeistert. Wir durften zwar den Luxus einer heimischen Geburt genießen (ich nehme an, die Herrschaft meiner Mama wollte die Bescherung erst mal in Augenschein nehmen), wurden jedoch nach wenigen Wo­chen der Gemütlichkeit an Mamas Zitzen still, heimlich und ohne große Umstände an die Luft gesetzt. Genauer gesagt: man packte uns sechs in einen Pappkarton und setzte uns aus – einen nach dem anderen.
Wenn ich mich auch mit meinen gerade acht Wochen Lebensalter nicht an den genaueren Ablauf dieser „menschlichen“ Handlung erinnere - ich weiß aber, es war im Januar.
 

Nun mag man denken, es sei eine Erleichterung füreinen kleinen Mischling, in Spanien geboren zu sein. Doch selbst hier, in Lloret de Mar, ist der Januar ein verflixt unangenehmer Monat. Es war kalt, es regnete und so ist es nicht verwunderlich,dass ich bald eine handfeste Erkältung hatte.
Am schlimmsten war jedoch der Hunger. Mama hatte keine Zeit gefunden, uns einem „Überlebenstraining in freier Natur“ zu unterziehen. Bei meiner Statur waren Mülltonnen für mich unerreichbar. Außerdem war die Konkurrenz stark und meine lieben Artgenossen konnten sich nicht durchringen, mir von den ohnehin schon kargen Bissen ein wenig abzugeben. Soviel zum Thema ´Welpenschutz’!
Immerhin schaffte ich es, mich aus einem Gemisch von Schnecken und vom Regen aufgeweichten Brotresten fast einen Monat lang am Leben zu erhalten.

Manchmal, wenn ich mich vor Wind und Regen unter ein parkendes Auto oder den herabgefallenen Deckel einer Mülltonne gerettet hatte, träumte ich mit knurrendem Magen und Einsamkeit im Herzen vom gemütlichen Körbchen meiner Mama. Zwei Monate Im Alter von rund zwölf Wochen wusste ich zwar so gut wie gar nichts über die wechselnden Jahreszeiten, aber mein Instinkt sagte mir, dass ich unbedingt noch ein bis durchhalten musste, damit das Leben für mich einfacher würde. Aber wie?

Es war ohnehin schon sehr kalt, noch kälter ist es jedoch, wenn man nass ist bis auf die Haut. Oft vermischten sich die Regentropfen mit meinen Tränen der Hoffnungslosigkeit. Sie kroch genauso schnell in meinen unterernährten Körper, wie die Kälte der Nacht. Es war im Winter nicht allzu viel los auf den Straßen von Lloret del Mar. Trotzdem waren einige Touristen hier. Sie besaßen Häuser auf Rädern, die mich wie magisch anzogen. Diese rollenden Hütten strahlten soviel Wärme und Gemütlichkeit aus. Auch hatte ich schon Artgenossen beobachtet, die mit den Menschen in diesen Häusern lebten. Sie hatten ein warmes Plätzchen und bestimmt ausreichend Futter. Ich stellte mir vor, wie ihnen abends vor der Heizung von ihren Menschen der Kopf gekrault wurde. Bei mir tat dies höchstens der Sturm und das war nicht angenehm.
Es war klar, ich musste alles daran zu setzen, auch Bewohner eines solchen Heimes zu werden. Zielstrebig ging ich auf die Suche nach einem Zuhause und einem Menschen.
Dieser Entschluss hielt mich am Leben und gab mir neuen Mut.

Trotzdem verging fast wieder ein ganzer Monat – es war inzwischen April aber immer noch kalt und stürmisch – bis mir schien, das geeignete Objekt gefunden zu haben; eines von diesen fahrenden Wohnzimmern.
In ihm wohnte nur ein einziger Mensch. Ich legte mich zunächst auf die Lauer und beobachtete ein wenig die Gewohnheiten dieses Zweibeiners. Noch hatte ich ja keine großartigen Erfahrungen in dieser Hinsicht sammeln können. Er schien ein reinlicher Typ zu sein. Jeden Tag putzte und schrubbte er seine Hütte. Dadurch stand die Tür häufig offen und ich konnte mir einen Einblick in das Innere verschaffen. Wie gemütlich es ausschaute! Da gab es eine richtige Essecke und ein kuscheliges Bett. Alles mit Teppichen ausgelegt. Doch das Verlockendste war die Wärme, die durch die offene Tür nach außen strahlte. Noch etwas Anderes drang durch die Tür zu mir heraus: Essensdüfte! Mir wurde ganz schwindlig in meinem kleinen Kopf. Meinem Magen ist es mehr zu verdanken als meinem Mut, dass ich mich von Minute zu Minute weiter der offen stehenden Tür näherte. Noch hatte der Mensch mich nicht gesehen. Wie würde er reagieren? Eine Schönheit war ich nie gewesen, aber das Leben der letzten drei Monate hatte aus mir etwas Schreckliches gemacht. Es ist wohl sicherer, sich nicht sofort von dem Menschen sehen zu lassen, sagte ich mir.
Langsam reifte ein Plan heran. Ich würde abwarten, bis er beschäftigt war und die Tür nicht in seinem Blickwinkel stand. Dann wollte ich den tollkühnen Vorstoß wagen.

Hier allerdings kam das erste Problem auf mich zu: wie sollte ich den Einstieg in dieses Haus bloß schaffen? Der Abstand vom Boden wäre normalerweise kein Problem, aber ich war so wacklig auf den Beinen, dass ich mir diesen Sprung kaum zutraute.

Es war die Verzweiflung, die mir dann doch die Kraft verlieh. Der Mensch verließ sein Haus mit einer vollen Mülltüte. Der Einstieg
war außerhalb seiner Sichtweite. Nun hieß es, allen Mut zusammenzunehmen. Und..... ich schaffte das scheinbar Unmögliche: Ich war drinnen!

Ängstlich schaute ich mich um. Der Mensch war zurückgekommen und hantierte in irgendwelchen Schränken. Bisher hatte er mich nicht bemerkt. Das Haus war recht klein und es bestand kaum eine Möglichkeit, sich zu verstecken. Schnell verzog ich mich unter den Tisch und rollte mich ganz hinten in der äußersten Ecke ein. Manchmal ist es doch ein Segen, so klein geraten zu sein.
Sicherheitshalber stellte ich mich schlafend. Wenn ich die Augen schloss und ihn nicht sah – vielleicht sah er dann auch mich nicht.
Doch es geschah, was geschehen musste: kaum lag ich einige Minuten auf meinem Platz, hörte ich ganz nah eine tiefe Stimme:
„Ja, wen haben wir denn da?“
Er hatte mich entdeckt. Zitternd öffnete ich ein Auge. Unmittelbar vor mir war ein riesiges Gesicht aufgetaucht, so behaart, dass wenig davon zu erkennen war. Aber die Augen schauten freundlich.
„Na, komm mal her, du kleiner Wurzelzwerg!“

Ein schwacher Hoffnungsschimmer glomm in mir auf. Eine große Hand näherte sich mir. Schnell erinnerte ich mich an den Trick, der mir schon bei meiner Mutter immer die vollste Zitze verschaffte: auf den Rücken werfen, Augen ganz weit aufreißen und leise wimmern.

Die Hand kam näher. Aber sie packte mich nicht – wie ich schon befürchtet hatte – unsanft am Genick. Sie streichelte sanft über meine zerzausten, nassen Ohren. Genau die richtige Zeit für einen Vorstoß: schnell umgedreht auf die Beine und einen zarten Schlecker auf die Hand des Riesen. Es klappte!!!

Im Nachhinein bin ich mir sicher, dass dieser Mensch von Hunden keine große Ahnung hatte. Es wurde ein langer Weg, ihn zu erziehen. Aber eines wusste er damals schon: ein Hund braucht etwas zu essen.
Gott segne dich, dachte ich, als er mir die gesamten Wurstvorräte seines Kühlschranks vor die Nase legte. Bei diesem Anblick und dem berauschendem Duft war es vorbei mit jeglicher Zurückhaltung. Gierig schlang ich alles hinunter. Was für ein Festessen! Dazu stellte mir der Bärtige noch eine Schale mit Milch vor meine kalten Füße. Ich hatte schon vergessen, welch wonniges Gefühl von einem gefüllten Magen und einem trocknen Plätzchen hervorgerufen wird.

Eine taumelnde Müdigkeit überkam mich. Trotz meiner großen Angst, plötzlich wieder an die Luft gesetzt zu werden, fielen mir die Augen zu. Ich genoss einen tiefen, traumlosen Schlaf in einer trockenen, gemütlich-warmen Ecke des Wohnmobils.
Als ich wieder erwachte, bemerkte ich, dass der Mensch keinen großen Anteil mehr an mir nahm. Er verrichtete allerlei Dinge und ließ mich in Ruhe.
So machte ich mich, gesättigt und trocken, an die Erforschung dieser Menschenbehausung. Überall roch es sauber und vor allen Dingen nicht nach einem Artgenossen, der mir diesen Platz hätte streitig machen können. Vorsichtig hielt ich immer einen großen Abstand zwischen mir und der Tür, damit mich der Riese nicht so einfach hinaus schubsen konnte. Aber er schien überhaupt nicht die Absicht zu haben.

Sehr bald hatte ich einen wunderschönen Platz gefunden, der auch in den kommenden Monaten mein Lieblingsplatz bleiben sollte: zwischen der Frontscheibe und dem Lenkrad befand sich eine kuschelige Fläche. Von hier aus konnte ich alles gut übersehen und war meinem Menschen nicht im Wege. Bei Sonnenschein wurde mein Pelz herrlich durch wärmt. Überhaupt hat mich der Hunger nach Sonne und Wärme mein ganzes Leben nie mehr verlassen.

Das ärgste Problem in diesen ersten Stunden war meine Blase. Einerseits musste ich ganz dringend meine Geschäfte erledigen, andererseits konnte ich es doch nicht wagen, mein kaum gefundenes Zuhause zu verlassen. Wer wusste schon, ob ich dann je wieder hineingelangen würde. Ob ich ganz einfach hier drinnen.....? Nein, daran war nicht zu denken. Mir war klar, dass das die sicherste Methode wäre, um mit Schimpf und Schande hinauszufliegen. Es war ein Dilemma.

Doch es hatte keinen Zweck: der Drang wurde stärker als die Angst. Ich schaute mich nach dem Menschen um. Er hatte sich auf seinem Bett ausgestreckt und schien zu schlafen. Das war die Gelegenheit. Nix wie raus. Schnell erledigte ich alles Nötige und war mit einem enormen Satz schon wieder im Auto und auf meinem Platz hinter der Scheibe.

Bald folgte die nächste Aufregung. Mein Mensch zog sich um und schien zum Ausgehen bereit zu sein. Ach du Schreck! Was würde jetzt passieren?
Er verließ den Wohnwagen und blieb draußen vor der geöffneten Tür stehen. Sollte ich ihm folgen oder mich verstecken? Doch was nützte mir die Hütte ohne den Menschen? Er war auf jeden Fall wichtiger. Nach diesen Überlegungen war ich mit einem Satz neben ihm. Er schloss den Wagen ab und machte sich zu Fuß auf den Weg. Natürlich wich ich nicht von seinen Schuhen. Wir gingen in eine Bar. Zwar ist es in Spanien verboten, Hunde mit in Bars und Restaurants zu nehmen, doch meinen Menschen schien das nicht zu kümmern. Er setzte sich auf einen hohen Stuhl, ich rollte mich zu seinen Füßen zusammen.
Wir waren ein Team! Wir gehörten zusammen!

Nach ein paar Stunden verließen wir die Bar wieder. Mein Mensch schlug den Weg zu unserem Heim ein. Da ich den Weg natürlich kannte, lief ich schon mal voraus, erledigte dabei noch schnell die notwendigen Sachen und stand bereits vor ihm an der Eingangstür. Er schloss auf. Bevor er eine Möglichkeit hatte, mich daran zu hindern, befand ich mich schon im Fahrzeug auf meinem Platz hinter der Scheibe. Ich schloss die Augen und stellte mich schlafend. Doch all diese Hektik war unnötig.
Mein Mensch zog sich aus und ging ebenfalls Schlafen.

Meine erste Nacht im Warmen, im Trockenen.


Wie schnell man sich gewöhnt! Am nächsten Morgen machte ich mich ohne Bedenken auf meine ´Geschäftstour´. Als ich heimkam, gab es Frühstück. Mein Mensch teilte alles mit mir. Aber welcher Hund frisst gern Brot mit Butter und Knoblauch. Wie gesagt: er hatte noch viel zu lernen.
Mit trotzdem gut gefülltem Bäuchlein folgte ich meinem Herrn nach draußen. Ich dachte, es ginge wieder in seine Bar. Doch er hatte etwas Anderes im Sinn. Wir gingen einkaufen. Ich bekam das erste Halsband meines Lebens und für alle Fälle besorgte er auch noch eine Leine. Nun waren wirklich die letzten Zweifel über meine Zukunft ausgeräumt. Seeligkeit!

Mit der Leine hatte ich nie viel zu tun. Was sollte sie auch? Folgte ich meinem Menschen doch eh auf Schritt und Tritt. Jedenfalls am Anfang.

Wenn die Sonne schien, lag ich jetzt auch gern im Eingang zu unserem Haus. Was für ein berauschendes Gefühl es doch war, wenn meine Artgenossen vorüber kamen. Verdreckt, mager und mit neidischem Blick in den Augen.

Kleider machen Leute – und Hütten den Hund.
Ich war nun wer.

Das Zusammenleben mit meinem Menschen gestaltete sich sehr gut. Wir teilten alles miteinander: er sein Essen mit mir, ich meine Flöhe mit ihm. Bald rochen wir gleich und – wenn auch die Dimensionen unterschiedlich waren – wir sahen uns auch verdammt ähnlich...



Nachdem das Wetter in Lloret del Mar weiterhin schlecht blieb, mit nur kurzen Unterbrechungen - schien es meinem Menschen dort nicht mehr zu gefallen. Eines Morgens wurden eifrige Vorbereitungen getroffen. Diese Hektik jagte mir nun doch einen Schrecken ein. Nach meiner Morgentoilette verzog ich mich auf meinen Stammplatz. Ich war nicht sicher, ob mein Mensch mich nicht doch in Lloret zurücklassen wollte.

Meine Sorge war unbegründet. Er setzte sich auf den Sessel hinter dem Lenkrad, lachte mich an, kraulte mir das Köpfchen und steckte einen Schlüssel neben das Lenkrad. Sofort begann es unter meinem Körper zu vibrieren. Nach dem ersten Schrecken war das ein ganz neues, wunderbares Gefühl. So wie Dauerkraulen am Bauch.
Es schien auf eine Reise zu gehen.

Ich habe inzwischen natürlich viel über den Menschen gelernt. Einer seiner ausgeprägtesten Eigenschaften ist die totale Unlust auf Stress. So reisten wir in kleinen Etappen. Es ging Richtung Süden, der Regen ließ nach, es wurde wärmer und wärmer. Bald wurde ich ein ´alter Hase´ auf Spaniens Straßen.

Es war normal, dass mein Mensch häufig einige Tage Rast einlegte. Es hing von der Situation ab. Gefiel es ihm an einem Ort besonders gut, konnten aus Tagen auch Wochen werden. Wir waren inzwischen ein eingespieltes Team.

Einmal kamen wir sogar in eine Großstadt. Sie hieß Barcelona.
Wie üblich ging Mensch morgens in eine Bar, um seinen Kaffee zu trinken. Aber diesmal ließ er mich einfach im Auto zurück. Es war schon mächtig warm, und so hatte er ein Fenster zum Teil offen gelassen.
Es war sehr aufregend, was da draußen auf den Straßen los war. Noch nie in meinem Leben hatte ich so viele Autos und Menschen gesehen. Aber wo blieb Herrchen? In all der Aufregung hatte ich seinen Weg nicht verfolgt. Doch für mich war klar, dass er in einer Bar war und die einzige, die ich sehen konnte, befand sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

Nein, das ging ja nun gar nicht. Mir war heiß und hungrig war ich obendrein. Also quetschte ich mich durch das halboffene Fenster, sprang auf die Straße und lief auf die Bar zu – einfach so über die Straße mit all ihren Furcht erregenden Fahrzeugen.
Es war brechend voll. Aber ich wusste ja, wo mein Mensch am liebsten saß: unter diesem brummenden Gerät, aus dem die kühle Luft kam. Ich legte mich unter den darunter stehenden Tisch und wartete.
Was ich nicht ahnen konnte: Herrchen war in einer anderen Bar. Als er wieder zum Auto kam und mich nicht vorfand, war er total aus dem Häuschen. Es war wohl eine Fügung des Schicksals, dass ein Passant meinen todesmutigen Weg über die Strasse mit angesehen hatte. Erst als Herrchen mir später alles erzählte, verstand ich, warum er so rasch in meine Bar gesaust kam, wild um sich blickte und mich schließlich auf den Arm riss.

Er war also einfach nur glücklich, mich wieder gefunden zu haben. Ach, mein Mensch!!!


Wenn wir einen guten Platz gefunden hatten und er sich ans Auspacken machte, erkundete ich die Umgebung. Es muss an meinem neuen Selbstbewusstsein gelegen haben: Überall fand ich rasch Freunde. Die größten Schäferhunde begegneten mir mit Respekt, nachdem sie mein feines Zuhause und meinen netten Menschen kennen gelernt hatten. Ich war kein Straßenköter mehr, sondern ein Globetrotter mit eigenem Haus und Menschen. Das machte Eindruck.

Bei einer Rast lernten wir einen anderen Menschen kennen, der die gleiche Vorliebe für ausgedehnte Spaziergänge hatte wie ich. Mein Herrchen war eher faul und viel zu schnell müde, wenn ich mal das Gelände erforschen wollte. So war er nicht böse, dass ich ab und zu mit dem anderen Menschen loszog. Und bei einer solchen Wanderung lernte ich die Liebe meines Lebens kennen: Hühner! Ich kann euch sagen!

Ich bitte an dieser Stelle für etwas Verständnis. Selbst ein kleiner Hund hat ja schließlich auch seine Jagdinstinkte. Und noch niemals zuvor hatte ich so herrliche Objekte gesehen, um diesen Instinkt auszuleben. Hei, was war das für ein Anblick, wenn diese gefiederten, gackernden, scharrenden Federknäule vor mir auf der Flucht waren.
So kam es, dass ich vor lauter Hatz den Menschen einfach vergaß.

Jeder Spaß hat einmal ein Ende – ganz besonders, wenn der Durst kommt und die Jagd langweilig wird. Langsam machte ich mich auf den Weg zu dem Punkt, an dem ich den Freund meines Menschen verlassen hatte. Ich konnte ihn ja schließlich nicht allein nach Hause gehen lassen. Doch er war nicht mehr dort. Ich wartete ein Weilchen, zog es dann aber vor, mich auf den Weg zurück zu meinem Heim zu machen.

Es war abgeschlossen! Herrchen weg, sein Freund weg – Hund ausgesperrt! Doch unser Heim war schließlich noch dort.
Wegen der besseren Übersicht legte ich mich auf den Campingtisch und ließ mir die Sonne auf mein verschwitztes Fell scheinen. Tische sind ein hervorragender Aussichtpunkt. Nach ca. zwei Stunden kehrten sie zurück. Was auch immer mit den beiden passiert sein mochte: meiner war sauer, müde und hatte Blasen an den Füßen. Er war zwar erleichtert, mich zu sehen, trotzdem fiel meine stürmische Begrüßung auf nicht sehr fruchtbaren Boden. Ich erfuhr, dass der Naturfreund voller Angst zu meinem Menschen zurückgekehrt war, um ihm zu beichten, er hätte mich verloren. Daraufhin haben sie mich mehrere Stunden im Wald gesucht. Wie dumm Menschen doch sein können! Als ob man MICH verlieren könnte!

 


Mit die schönste Zeit war, als Herrchen das Geld ausging. Vorbei war´s mit der Reiserei. Er musste arbeiten und fand bald einen Job als Pflücker in der Nähe von Peñiscola auf einer Orangenplantage.

Das war ein freies Leben! Morgens fuhr ich mit ihm zur Plantage. Er begann zu arbeiten und ich erkundete die gesamte Umgebung. Schnell lernte ich das Signal der Frühstücks- und Mittagspausen erkennen und fand mich dann bei meinem Menschen und seinen Kollegen ein. Da gab es die leckersten Bissen aus vielen Menschenhänden. Zwischen den Mahlzeiten war ich wieder mir selbst überlassen. Herrchen hatte endlich Vertrauen zu mir – oder wollte er sich einfach keine Gedanken machen?

Ich lernte eine Menge in dieser Zeit. Es gab ja so viel zu sehen. War ich müde und konnte nicht mehr laufen, legte ich mich immer unten den Baum, den Herrchen gerade bearbeitete. Mit ihm zusammen wechselte ich von Baum zu Baum bis zum Feierabend. Mein Mensch und ich lebten nun schon zwei Jahre zusammen. Wir hatten ganz Spanien gesehen und gehörten zusammen wie Pech und Schwefel. Auch Frauen kreuzten unseren Weg – seinen wie meinen. Doch es war nie die Richtige dabei gewesen. Ich hatte gelernt, den Men­schenfrauen zu misstrauen. Sie waren zwar lieb zu mir, weil sie ohne mich schon gar nicht das Herz meines Menschen erlangen konnten, aber dieser Liebe war nicht zu trauen. War Herrchen einmal nicht da oder schaute in eine andere Richtung, fing ich schon mal einen Tritt ein. Andere wiederum überschütteten mich mit ihrer Liebe. Sie machten sich so viele Sorgen um mein Wohlergehen, dass ich nur noch am Bändchen geführt wurde. Brrrrr! Wo blieb da meine Freiheit?
Am Schönsten war´s allein mit meinem Menschen.

Aber es passierte, was passieren musste. Wir standen gerade mal wieder gemütlich in einer Bar herum – Herrchen nahm mich nach wie vor immer mit auf seine ‚Touren’ – da kommt doch wieder so ein Weib herein. Sie stellte sich aber nicht zu meinem Menschen, sondern hockte sich zu mir. Ach – und sie roch so gut nach meinen Artgenossen. Sie war nicht dürr und zickig, wie die Letzte, sondern mollig und gemütlich. Und sie kannte die besten Kraulstellen. Ich konnte nicht umhin, ihrem Charme zu erliegen.

Ein paar Tage später trafen wir sie wieder. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie mit meinen Menschen noch kein einziges Wort gewechselt. Natürlich erkannte sie mich sofort wieder. Ich glaube, es war gegenseitige Liebe auf den ersten Blick. Jetzt musste ich nur noch meinen Menschen überzeugen, dass SIE die eine war.

Ich will und kann mich an dieser Stelle nicht mit den Problemen der Menschen im Allgemeinen und im Besonderen auseinandersetzen, aber es dauerte noch eine ganze Weile, bis ich außer einem Herrchen nun auch ein Frauchen bekam. Das brachte gewaltige Veränderungen mit sich. Wir wurden sesshaft – jedenfalls für meine Verhältnisse. Zunächst bezogen wir ein Hotel, dann folgten mehrere Wohnungen, Apartments und Häuser. Nicht nur Herrchens, sondern auch meine Freiheiten wurden beschnitten – wie Frauen nun einmal sind – sie machte sich allzu viele Sorgen um meinen Menschen und mich.

Aber die Vorteile überwogen. Sie konnte gut kochen und ich bekam regelmäßige Mahlzeiten. Auch hatte ich jetzt immer frisches Wasser in meinem Napf – Herrchen war in dieser Hinsicht immer sehr schlampig. Er hätte wahrscheinlich mehr Verständnis für mich gehabt, hätte ich mich aus seiner Bierflasche gelabt. Kurz und gut: das Leben zu Dritt gefiel mir nicht schlecht. Sobald meine Menschen schliefen, fand sich für mich immer ein Plätzchen am Fußende ihres Kuschelbettes und nie wurde ich von ihnen allein Zuhause gelassen. Meine Angst vor Menschenfrauen fiel langsam von mir ab.

Nach einem herrlichen Sommer wohnten wir im Monat November in Albir, einem Küstenort an der Costa Blanca. Wir hatten eine schöne, geräumige Wohnung. Von Frauchen hatte ich zwei köstliche Gummibällchen als Spielkameraden bekommen – das erste Spielzeug meines Lebens – und konnte mich rund ums Haus auf mehreren Terrassen herrlich austoben. Wir wohnten direkt neben einem Tierarzt, mit dem ich dann auch Bekanntschaft machen musste. Frauchen ließ mich pieksen und untersuchen und war merkwürdigerweise auch gegen meine Flöhe.

Aber die Besuche bei diesem Tierarzt hatten auch Vorteile. Er besaß zwei dicke, fette, starke und äußerst unfreundliche Rottweiler. Normalerweise ging man diesen Gesellen lieber aus dem Wege. Doch während der Sprechstunden waren die Burschen in einem Zwinger eingesperrt. Was konnte es da Herrlicheres geben, als vor diesem zu promenieren? Waren die leicht erregbar! Jeden Tag bestand mein größtes Erfolgserlebnis darin, die Rottweiler so wild zu machen, dass ihnen der Schaum vor dem Maul stand. Befriedigt hob ich dann das Bein an Ihrem Zwinger und verfehlte nur selten eine der gefährlichen Schnauzen mit meinem Strahl.
Frauchen durfte mich natürlich nie bei diesem Vergnügen erwischen. Sie wurde sonst blass und riss mich blitzschnell auf den Arm, um mich zurück auf unser Grundstück zu verfrachten. Ängstliches Weib!

Wir lebten glücklich und das Wetter war wundervoll. Eines Tages fuhren wir wieder einmal in Frauchens Polo zum Strand nach Altea. Dort saßen meine Menschen gern in einer Strandbar und ließen sich eine Kleinigkeit schmecken. Ich musste im Auto bleiben, da Hunde in spanischen Restaurants halt ungern gesehen werden. Aber ich hatte Blickkontakt und sah daher genau was geschah:

Meine Menschen unterhielten sich miteinander, als ich eine wunderschöne Hundedame langsam die Straße entlang kommen sah. Meine Güte, hatte die einen Gang! Pechschwarz war sie mit einer strahlendweißen Blässe an der Brust und an den Hinterbeinen trug sie einen silbrigen Schleier.
Ihre aufrecht stehenden Ohren waren mit lustigen Pinseln bewachsen. Augen wie Himmelssterne hatte sie und aus der leicht geöffneten Schnauze schaute die rosaroteste Zunge hervor, die ich jemals sah. Sie lief nicht – sie tanzte förmlich über den Gehsteig. Kurz: sie war eine Göttin. Ich bekam kaum noch Luft. Oh, oh, oh.... wie wurde mir....?

Dieses Geschöpf näherte sich, strebte direkt auf meine Menschen zu. Sie hatte keine Angst! Sie war so selbstbewusst! Sie schien mir unvergleichlich!
Ich presste meine Nase gegen die Scheibe, als sie direkt bei meinen Menschen stehen blieb.
‚Grrau..schau doch!’, bellte ich. Doch niemand achtete auf mich. Oh, wenn ich doch nur frei wäre und mich nicht eine ganze Straßenbreite von dieser Traumfrau trennte.
Die Scheibe war schon ganz beschlagen. Ich wechselte zum anderen Fenster und sah, dass Frauchen jetzt mit der Göttin sprach. Und sie – die Unvergleichliche – legte den edlen Kopf schräg und schien jedes Wort zu verstehen. Also auch noch intelligent! Ich kratzte am Fenster und bellte, was meine Kehle hergab. Ich wollte dabei sein – ihr mein Leben zu Füßen legen...

Da! Frauchen bot dieser Unvergleichlichen ein Stück von ihrem Teller an. die Dame nahm es – nicht etwa gierig, nein zart, aristokratisch, fast herablassend. Dann legte dieses überirdische Wesen den Kopf auf den Schenkel meines Herrchens. Sie hatte den Bogen voll raus. Doll!
Nach einer Weile standen meine Menschen auf und kamen auf mich zu. Als ob sie dazugehören würde, folgte ihnen meine Traumfrau.
Ich war schon ganz fertig. Alles in mir jubelte: ¨Hinaus, hinaus... ich will zu ihr!´
Als ob man mich hörte, öffnete Herrchen die Heckklappe vom Polo. Mit einem Satz war ich draußen und konnte mich einfach nicht satt sehen an dieser Elfe. Was machte es schon, dass sie viel größer war? Sie schaute mich an, stupste mich sanft und schon flogen wir zusammen über den weißen Sand des Strandes.
Meine Menschen folgten uns und schienen so ganz einverstanden mit meiner Gesellschaft.

Und wir liefen und liefen – hin und zurück im Taumel der Gefühle. Ein Rausch , ein Rasen des Pulses. Mir war ganz wirr im Kopf.
Endlich ließen wir uns Zeit zu einer näheren Begrüßung. Sie roch so wunderbar nach Mülltonnen, Fischresten und Seeluft. Sie war eine Sünde wert – ach, was rede ich: alle Sünden dieser Welt.

Nach einer Weile hörte ich mein Herrchen rufen. Aus der Traum, dachte ich. Ich musste folgen. Langsam, voller Verzweiflung und Trauer zog ich meinen Schwanz zwischen die Beine und schaute meine Menschen bittend an. Sah ich da nicht auch in Frauchens Augen ein Hoffen?
´Hopp! ´, sagte mein Mensch. Das war dann wohl der endgültige Abschied von ihr, meiner Einzigen. Ich folgte und sprang ins Auto – doch nicht nur ich! Die Himmlische sprang Seite an Seite mit mir. Herrchen schaute Frauchen an und beide grinsten. Die Heckklappe wurde geschlossen. Es ging nach Hause und zwar zu viert!

Es gibt auch für uns Hunde einen lieben Gott!

Würde ich sagen; ´Jetzt fing das Leben für mich an´, so wäre das ein Verrat an meiner Vergangenheit. Aber sagen darf ich: ´Jetzt fing ein neues Leben für mich an!

Meine Menschen gaben meiner Prinzessin den einzig richtigen Namen (ich wundere mich so manches Mal über die Feinfühligkeit meiner Herrschaft). Sie wurde ´Maximiliane von Altea´, getauft, kurz ´Maxi´.

Und Maxi brachte Leben in die Bude. So war sie zum Beispiel kein Typ, der gern auf dem Boden schläft. Sobald sich unsere Menschen (ich sage ab jetzt ‚unsere´, was Aufschluss darüber geben mag, wie gern ich mit Maxi alles teile) zur Nachtruhe begaben, war das beste Plätzchen auf dem feinsten Sofa für Maxi gerade gut genug. Sie war ein quirliges Ding und brachte unsere Menschen und mich so richtig auf Trab. War sie anfangs ein wenig mager, so wurde sie von Frauchens Küche bald wohlgenährt. Auch sie machte sofort Bekanntschaft mit unserem Tierarzt, wurde untersucht und für kerngesund befunden. Man stellte fest, dass sie ungefähr ein Jahr alt war. Typisch Menschen - statt lange zu untersuchen, hätten sie nur mich fragen sollen!

Ich hatte niemals Vorurteile gegen große Frauen. Wenn man so klein ist wie ich, muss man sich halt abfinden. Außerdem hatte es auch Vorteile. So konnte ich mich häufig unter ihr verstecken – und sie merkte es nicht einmal. Dabei war sie schlau! Sie hatte jede Menge Tricks drauf. Sie verstand es zum Beispiel prima – auch ein Vorteil ihrer Größe - übrig gebliebene Reste vom Küchentisch herunterzuholen. Sie tat sich allerdings ein wenig schwer mit dem Teilen, aber schließlich war ihr Verbrauch an Kalorien ja auch größer.

Nur einen Irrtum musste ich bald einsehen: Maxi war keine Dame!
Es störte sie nicht, mitten auf den besten Teppich zu pi.... naja. Sie brachte unsere Menschen in kurzer Zeit dazu, jeden Abend vor dem Schlafengehen sämtliche Teppiche aufzurollen. – Wie gesagt: sie brachte Leben in die Bude.

Einige Wochen ging es so weiter. Wir fühlten uns wohl und wurden es nicht müde, die wildesten Verfolgungsspiele rund um unser Haus zu machen. Zwar gehörte mein Spielzeug schon lange der Maxi, aber... hach, was macht Mann nicht alles?
Dann veränderte sich die Stimmung bei unseren Menschen. Sie waren aufgeregt und nervös.

Eines Tages wurden wir ins Auto gesteckt und es ging Richtung Norden. Aber es sollte nicht eine der üblichen Ausflugsfahrten sein, die unsere Menschen so gern mit uns unternahmen. Nach einigen Kilometern wurde das Auto geparkt und unsere Menschen verließen uns für eine Weile. Als sie zurückkamen, waren sie noch aufgeregter als zuvor. Es ging wieder heim.
Bereits eine Woche später begannen sie wild zu packen. Die Wohnung stand voller Kartons und Koffer. Es wurde um- und umgeräumt, so dass sogar meine Maxi am Ende ganz hilflos in einer Ecke stand. Sie hatte natürlich noch nicht so ein Vertrauen in unsere Menschen.
Dann wurde alles in unsere zwei Autos gepackt. Zum Schluss auch wir und die Reise ging los. Wir hielten abermals vor dem bereits bekannten Haus. Es war eine alte Finca, sehr groß und mitten in Weinfeldern gelegen. Der Traum eines jeden Hundes Doch dieser Traum hatte sofort ein Ende. Wir fuhren um die Finca herum und parkten auf dem Hof und in diesem Moment begann der Albtraum.













                                    MAXIMILIANE

                               VON

                              ALTEA





Wenn ich ein Motto für mein Leben finden sollte, so wäre es ‚Dideldum, dideldum....’

Der Gremlin ist ja ein lieber Spatz, aber er nervt manchmal total mit seiner ewigen Ernsthaftigkeit. Wie kann man nur alles so verbissen sehen? Ich bin da ganz anders drauf! Ach so, ich sollte mich wohl erst einmal vorstellen: Ich heiße Maximiliane von Altea, kurz Maxi genannt von meinen Menschen. Obwohl... ich muss sagen: bei meinem Aussehen, meiner Figur, der Ausstrahlung... also ‚Maximiliane’ trifft’s schon eher! Ich habe halt so einen distinguierten Touch. Man ist eben wie man ist!

Der Gremi hat ja meine Geschichte schon ganz gut umrissen. Was vorher mit mir war, wo ich herkomme und so weiter – naja – ist ja eigentlich auch egal, denn meine Vergangenheit mache ich mir schon selber. Aber damit man etwas Respekt vor mir bekomme, kann ich verraten, dass meine Mutter eine echte ‚Groenendael’ ist. Also für alle unwissenden Zweibeiner; eine langhaarige, wunderschöne belgische Schäferhündin.

Mama war eine Lebedame, die mit Kinderkriegen nichts am Hut hatte. In ihrem Leben war sie ihr eigener Mittelpunkt. Für ihre Menschen hatte sie nicht mehr übrig als gelangweilte Zuneigung. Ob sie sich gewollt oder ungewollt dann doch eines Tages den Freuden der Mutterschaft unterzog, vermag ich nicht zu beurteilen. Tatsache ist, dass sie ihrer Nachkommen sehr schnell überdrüssig wurde und uns schlichtweg vergaß. 

Meinem Naturell ist es zu verdanken – ich war sehr frühreif und von einem ungewöhnlichen Freiheitsdrang besessen – dass ich an meiner Rabenmutter nicht zerbrach.

Die Menschen meiner Mama hatten auch keine Verwendung mehr für meine Geschwister und mich. Die berechtigten Zweifel an unserer Reinrassigkeit ließen ihr Interesse sehr bald erlahmen. Wir wurden auf einem Markt an vorübergehende Passanten verschenkt.

Lange Zeit hatte dieses menschliche Verhalten starke Auswirkungen auf meine Meinungsbildung den Zweibeinern gegenüber. Verständlich, oder?

Nun, im Alter von wenigen Wochen ist es für einen Hund in erster Linie wichtig zu essen, zu trinken und einen warmen Schlafplatz zu haben. All das bekam ich, als ich in den Armen von zwei Touristen landete, die ihren Urlaub in Spanien verbrachten und zufällig an unserem Karton vorübergingen. Ich war für sie nur einfach schrecklich süüüüssss und wonnig.

Leider haben es Menschen an sich, die zukünftigen Ausmaße ihres ‚Lieblings’ falsch einzuschätzen.
So waren meine beiden nach einigen Wochen entsetzt über meine Größe und vor allem meinem Heißhunger auf alles Essbare und das Leben im Allgemeinen. Ich nehme es ihnen gar nicht übel: sie waren alt und konnten Versteck- und Nachlaufspielen nichts mehr abgewinnen.
Wohl oder übel gewöhnten sie sich an die Tatsache, dass ich tagsüber meiner eigenen Wege ging. Sie konnten sicher sein, mich abends daheim in meinem Korb wieder zu finden.

Nach einigen Monaten dieses mehr oder weniger innigen Zusammenlebens fand ich eines Abends die Tür meines Hauses verschlossen. Ich verbrachte die Nacht mit knurrendem Magen auf der Terrasse. Auch am nächsten Tag kamen meine Leute nicht heim. Nach einiger Zeit musste ich feststellen: ich war alleingelassen worden.

Der zweite Schock in meinem jungen Leben!

Es war inzwischen kalt und ungemütlich in den Nächten und so machte ich mich auf die Suche nach einer neuen Unterkunft.
Ich kannte ein paar Streuner in der Hafengegend von Altea. Hier konnte ich unterkriechen. In den Sommermonaten hätte mir dieses Leben bestimmt gefallen, aber – wie gesagt – die Nächte wurden bereits empfindlich kalt. Da nützte mir auch die Wärme des dicken Hafen-Joe nichts. Er was ein alter Herumtreiber, ein Überlebenskünstler und eindeutiger Anführer unserer Rotte. Joe hatte nur einen Nachteil: er war total berechnend. Für alles und jedes wollte er eine Gegenleistung. Worin diese bestand? Nun zwischen Männern und Rüden dürfte in dieser Hinsicht kein großer Unterschied herrschen.

Nun liegen Standesdünkel mir natürlich fern, aber meine Kuschelbrüder wollte ich mir doch lieber allein aussuchen. Und Joe hatte so gar keinen Stil. Er war brutal, ungepflegt und trieb sich wirklich mit jeder herum. Nein, das war nicht mein Fall.
Erschwerend kam hinzu, dass sich eine besondere Art von Menschen zum Ziel gesetzt hatte, die Straßen von Altea von alleinstehenden Hunden zu befreien. ‚Hundefänger’ nannte man diese liebenswürdigen Genossen.

Ich beschloss daher, dass es Zeit wurde, mir eine feste Behausung und nach Möglichkeit auch einen festen Menschen zuzulegen.

Zweifel am Erfolg meiner Suche hegte ich nicht. Warum auch? Ich sah einfach umwerfend aus, hatte Charme und mit meinen Augen konnte ich die härtesten Menschenherzen brechen. Also: auf zu neuen Ufern....


   



Als ich meine neuen, von Gremi bereits beschriebenen, Menschen fand, war ich mir zunächst unschlüssig, an wen von beiden ich mich zu halten hatte. Wer war der Boss? Gar nicht so einfach zu entscheiden. Ich habe gelernt: ein Fehler bei der ersten Kontaktaufnahme in dieser Hinsicht kann die ganze Angelegenheit katapultieren. Aber ich bin ja nicht auf den Kopf gefallen. Ich schaute also die Menschenfrau mit meinen verträumten Augen an – und legte dabei meinen Kopf auf den Schenkel des Mannes. So hatte ich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Den Erfolg meines Einsatzes kennt man ja durch Gremi. Und es war nicht einen Tag zu früh. Bald begann die Regenzeit. Doch ich hatte ein feines Dach über dem Kopf.

Den guten Gremlin hatte es total erwischt. Er war so in mich verliebt (ist er übrigens heute noch, obwohl seine Treue doch sehr zu wünschen übrig lässt), dass ich ihm auch mein Herz öffnete. Es war lieb, einen Freund zu haben, dem man echte Muttergefühle entgegenbringen konnte. Gremi ist so klein, knuddelig und kugelig – einfach süß. Doch er spielte sich fürchterlich auf. Als ich sofort das schönste Sofa mit Beschlag belegte – meine Menschen saßen sowieso nie drauf – hat Gremi sich fast ins Fell gemacht. Ach, und diese Aufregung, als ich nachts ein ganz natürliches Bedürfnis erledigte. Ich hatte – wahrscheinlich aufgrund der kalten Nächte im Hafen – eine etwas schwache Blase. Außerdem halte ich es für völlig normal, dass man bei seinem Geschäft lieber mit den
Pfötchen auf einem weichen Teppich als auf dem kalten Steinboden steht. Doch Gremlin war entsetzt. 

Außer dem Trick mit dem Teppich aufrollen zerrten mich meine Menschen nun wochenlang jede Nacht bei Kälte und Nässe auf eine Wiese. Es ging hin und her und her und hin. Sie gaben keine Ruhe, bis ich mich endlich hinhockte. Und trotzdem hielt ich nur selten bis zum Morgen durch.

Gremlin unterscheidet sich vom Charakter her total von mir. Er ruht in seiner Familie. Er ist eifersüchtig darauf bedacht, dass unsere Menschen ganz uns gehören. Welch ein Glück für mich, dass der Kleine so in mich verschossen ist. Ansonsten hätte es ernsthafte Probleme gegeben, in diese Beziehung einzudringen.

Es ist typisch für Gremlin, dass ihn dann die Umstellung unseres Lebens so von den Pfötchen haute.


Wir kamen also an dem besagten Tag auf der Finca an. Ich hatte schon vom Auto aus äußerst verdächtige Geräusche gehört. Und – Tatsache!

Auf dieser Finca lebte bereits ein Hundepaar. Und was für eines...!

Die Alte habe ich mir zunächst gar nicht angeschaut, denn mein Blick wurde von einer unglaublichen Erscheinung gefesselt.

Nun bin ich ja eher der coole Typ, doch was ich dort sah, konnte man nur als einen Traumrüden bezeichnen. Ein Deutscher Schäferhund.

Reinklassig... äh, ich meine reinrassig. Makellose Erscheinung, ca. 5 Jahre alt, sehr hell mit einer dunklen Decke und dunkler Schnauze. Ich war hingerissen. Er sah sehr sauber und elastisch aus. Ein richtiger Kerl. Nichts gegen Gremlin, aber man will doch als Frau schließlich zum Manne aufblicken können (sei es auch nur körperlich). Gremlin konnte ich höchstens als Kopfpolster benutzen oder als Kuschelrolle. Aber dieser Typ.... wouw!

Unsere Augen versanken ineinander. Doch sofort wurden wir unterbrochen durch Frauchens Fürsorge (grrrrr...). Sie nahm uns an die Leinen und führte uns ins Innere des Hauses.

Keine schlechte Hütte! Endlich ein Wohnzimmer mit den richtigen Maßen für eine Hatz. Es gab eine herrliche Treppe und im Obergeschoss viele, viele Zimmer. Wenn man oben stand, konnte man den Kopf durch ein Holzgitter stecken und ins Wohnzimmer hinabschauen. Ja, die Bude gefiel mir.

Meine Menschen begannen hektisch hin- und herzulaufen. Die Autos wurden ausgepackt und alles ins Haus geschleppt. Aa, dachte ich mir, nicht nur ein kurzer Besuch. Hier werden wir bleiben.

Verzweifelt versuchte ich, nochmals Blickkontakt mit dem Schäfer zu bekommen. War aber nicht möglich. Außerdem wurde es Zeit, sich mit der Artgenossin zu befassen, deren tiefe Stimme ich von draußen hörte. Bisher hatte ich von ihr nur den Eindruck eines Grizzlybären bekommen. Sie schien mir unfreundlich und mit Vorsicht zu genießen.

Die erste Nacht im neuen Heim war traumhaft. Hier gab es Sofas in Hülle und Fülle. Ich habe in den ersten Stunden wohl so fünfmal meinen Schlafplatz gewechselt.

Gremi zog es natürlich vor, im oberen Stockwerk bei Herrchen ins Bett zu schlüpfen. Das ist nicht meine Sache. Menschen ja – nächtlicher Körperkontakt nein. Ich brauche immer viel Platz und wollte mich auch erst mal so richtig ein schnüffeln in die neue Behausung. Ich war gespannt, wie unser  Leben jetzt werden würde und träumte von dem Schäferhund-Rüden draußen an der Kette.













                          H O N D O



Ja, ich bin der Hondo. Deutscher Schäferhund, reinrassig, fünf Jahre alt, schön (hat es mir was genützt?), introvertiert und sehr sensibel.

Ich lebe auf einer Finca. Doch was heißt hier schon ‚leben’? Mein Leben war bisher keines. Es war ein Trauerspiel. Ich bin zwar in Spanien geboren, lebte aber mit meiner Mutter, meinem Vater und den Geschwistern bei einem deutschen Züchter. ‚Rassehunde’ nennt man uns. Wertvoll sollen wir sein. Schön sind wir allemal. – Aber warum können die Menschen es dabei nicht belassen?





Die besten Wochen meines Lebens waren die an Mutters Seite. Ich war nicht der stärkste unter meinen Geschwistern, aber Mami hatte immer ein schönes Plätzchen mit einer dick gefüllten Zitze für mich bereit. Diese Wärme und Zuneigung, diese Geborgenheit werde ich nie vergessen. Sie war die beste Mutter, die man sich wünschen kann. Vater sah ich auch ab und zu, aber er hatte kaum Zugang zum ‚Kinderzimmer’. Seine Aufgabe war erfüllt und bis zum nächsten Mal hatte er Pause. Auch kein schlechtes Dasein.

Heute bin ich der Meinung, der größte Charakterfehler an mir ist (bzw. war) meine Liebe zu den Menschen. Als Welpe machte ich keine Unterschiede bei ihnen. Alle waren lieb zu mir, nahmen mich auf den Arm, kraulten die Öhrchen und fanden mich wonnig. Wie sollte ich ihnen diese Zuneigung nicht hoch anrechnen? Da ich das Pech hatte, als einer der Schönsten aus unserem Wurf zu gelten, hatte man Großes mit mir vor.

Wie gern hätte ich auch alles getan, um den Anforderungen an mich gerecht zu werden.
Es begann im Alter von ca. 3 Monaten auch recht harmlos mit dem Gehen an der Leine. Dann folgten die ersten Befehle wie ‚sitz’, ‚platz’, ‚bleib’ und ‚steh’. Ich war nicht dumm und beherrschte dieses Repertoire der Menschensprache rasch. Als ich dann ca. ein halbes Jahr alt war, begann mein persönlicher Albtraum.

Man wollte mich ‚auf den Mann’ abrichten. Ich verstand einfach nicht, warum ich gezwungen werden sollte, einen Menschen auf Befehl eines anderen anzugreifen. Ich hatte sie doch alle gern! Warum sollte ich jemandem schaden?
Diese Qual dauerte Wochen, ja Monate. Bis meine so genannten ‚Ausbilder’ endlich verstanden, dass ich ein ‚Versager’ war, erhielt ich unendliche Stockschläge, Beschimpfungen, Futter- und Wasserentzug. Meine Welt zerbrach. Wie gern wäre ich wieder bei Mutter gewesen, wie vermisste ich meine Geschwister. Doch auch sie blickten nur noch hochmütig zu mir herunter. Ich war und blieb in aller Augen ‚unbrauchbar’.

Noch heute quält mich die Erinnerung. Man strafte mich nach Abschluss aller Versuche, aus mir etwas ‚Vernünftiges’ zu machen, mit Ablehnung und Nichtachtung – für einen Hund wohl das Allerschlimmste.
Ich hörte Worte wie ‚zu Zuchtzwecken ungeeignet’ und ‚wenn er nicht bald verkauft werden kann, wird er eingeschläfert!

Hatte Gott mich vergessen?

Vielleicht bin ich ein hoffnungsloser Romantiker oder auch Dummkopf, aber ich fasste es nicht. Warum wollten sie von mir, dass ich die Hand eines Menschen beiße? Warum sollte ich ihn angreifen, wo ich doch vorher nur Gutes von ihm erfahren hatte?
Selbstverständlich hätte ich für meine Menschen alles getan und sie auch verteidigt, wenn ihnen etwas Böses widerfahren wäre. Aber ohne Grund konnte ich mich nicht gegen einen Menschen stellen.

Nun lag ich Tag und Nacht in einem engen Verschlag (die gemütlichen Zwinger wurden für die Krönung der Züchtlinge gebraucht). Das Futtergeld für mich wurde zu hoch und mir blieb kaum noch Hoffnung auf eine Zukunft.

´Versager, Versager, Versager!’ Ich hörte es jeden Tag. Ich versuchte, die Hand zu lecken, die mir doch noch vor wenigen Monaten so wohl gesonnen war, erhielt aber nur einen schmerzhaften Schlag auf die Nase. Dabei wäre ich für ihn doch durchs Feuer gegangen. Ich wollte nur seine Liebe und Achtung – aber die hatte ich verloren.
Mein Züchter hatte schon alle Hoffnung aufgegeben, für mich noch einen Abnehmer zu finden. Aber eines Tages geschah das Wunder und jemand wollte genau mich. Ich hörte, wie der Züchter über mich berichtete. Plötzlich war ich das As seiner Hunde. Ein Alpha-Männchen. Gelehrig, feinfühlig, gehorsam und sehr, sehr mutig. Ich sei der beste Wachhund, den man sich vorstellen kann.

Ich sah dem neuen Menschen ins Gesicht und fragte mich, ob er all diesen Lügen Glauben schenken würde. Er tat es!
So fand ich ein neues Zuhause. Mein zweites.

Mein neuer Mensch ging mit mir angeben. Ja, ich hatte ja den (von mir fast schon vergessenen) Vorteil der Schönheit. Zunächst kaufte er mir ein neues Halsband. Ein ekliges Ding aus Metall mit Dornen, die mir bei jedem Zug an der Leine tief in den Hals drangen.
Er wollte Staat mit mir machen. Er zeigte mich vor, mit stolzer Brust. Waren wir aber allein, so gab es Knuffe und Schläge. Ich war ihm im Wege und er ließ mich viel allein. Oft saß ich stundenlang in seinem Auto, in glühender Hitze und ohne einen Tropfen Wasser. Zu Hause lag ich dann an einer viel zu kurzen Kette. Ich hatte nicht einmal die Möglichkeit, mich für meine ‚Geschäfte’ ein wenig außerhalb meines Schlafplatzes zu bewegen.
Nach kurzer Zeit war ich voller Kot, meine Haare waren zottig und ungepflegt. Ich nahm ab und bekam Durchfälle vom schlechten Futter.
So konnte dieser Mensch mit mir auch nicht einmal mehr angeben.
Ich dachte oft an die Drohung des Züchters zurück, mich einschläfern lassen zu wollen. Wäre das nicht das bessere Los für mich gewesen?

Man kann sich kaum vorstellen, wie ich dann zu meinem neuen Herrchen kam. Mein Mensch verlor mich beim Kartenspielen! So einfach geht das für manche.
Mir war das damals ziemlich gleichgültig. Ich befand mich schon lange in einem Zustand der Apathie und beachtete kaum noch, was um mich herum geschah.
Jedenfalls wurde ich eines Tages wieder in ein Auto geladen. Ein Menschenpaar nahm mich auf eine Finca mit. Ob ich mich freute? Ich kann es heute nicht mehr sagen. Ich erwartete auch nicht mehr viel von meinem Leben.

Doch es wurde etwas besser. Ich wurde zunächst gebadet, getrocknet und mein verfilztes Fell wurde mit einer Bürste wieder zum Glänzen gebracht. Ich bekam zu Essen und frisches Wasser und sogar eine eigene Hütte mit einer langen Kette, die es mir ermöglichte, meinen Schlaf- und Aufenthaltsplatz von dem gewissen ‚Örtchen’ räumlich weit zu trennen. Zwar lag ich in der Hütte auf dem kalten Stein, aber immerhin war es eine große Verbesserung. Auf der Finca gab es auch zwei Kinder. Ich wurde jeden Tag spazieren geführt und man zeigte mir endlich einmal wieder Zuneigung.




Leider hielt das Interesse der Kinder nicht sehr lange an. Trotzdem fing es mir im Großen und Ganzen nicht schlecht. Sogar an Autofahren durfte ich teilnehmen, wenngleich anfangs immer die Angst neben mir saß, wieder in andere Menschenhände zu wechseln.


Eines Tages fuhren sie mit mir zum Markt nach Teulada. Ich mochte Markttage nicht sehr gern. Alles war voller Menschen. Mir ging es dabei noch verhältnismäßig gut, weil ich groß bin, aber die vielen kleinen Pinscher, die hechelnd an der Leine hinter Herrchen oder Frauchen hergezerrt wurden, taten mir leid. Ich glaube, wenn sich ein Mensch die Mühe machen würde, so ein Marktgewimmel einmal aus der Perspektive eines kleinen Hundes zu betrachten (zum Beispiel, indem der Mensch sich auf den Boden legt), hätte er mehr Verständnis für die Ängste seines ‚Lieblings’.

Nun ja, mir ging’s da etwas besser. Trotzdem mochte ich Menschen-Ansammlungen nicht. Viele Hunde ohne eigene Menschen trieben sich auf dem Markt herum, um Reste von Lebensmitteln zu ergattern. Die meisten von ihnen waren mager und ungepflegt. Doch ich schaute niemals auf sie herab. Nur mit knapper Not war ich ihrem Schicksal entgangen.
Herrchen und Frauchen blieben an einem Wursttand stehen. Gelangweilt schaute ich mich um. Zwischen einigen Menschenbeinen hindurch sah ich etwas Großes, Schwarzes liegen. Sicher ein zusammengesackter Bettler.

Ich wollte mich schon abwenden, als Bewegung in diese schwarze Masse kam. Vier lange Beine wurden sichtbar und ein ganz hinreißender Damenkopf mit bernsteinfarbenen Augen. Ich musste mich setzen. Irgendetwas in mir reagierte so, wie ich es nie zuvor erlebte. Mein Herz klopfte, ich vergaß Herrchen und Frauchen und starrte nur noch auf die Hündin auf der anderen Seite der Straße.

Auch sie hatte mich inzwischen wahrgenommen. Mit schläfrigem Blick schaute sie mich an. Ich stand auf und ging zu ihr hinüber – das Zerren an meinem Halsband nahm ich fast nicht wahr. Erst später merkte ich, dass ich Frauchen einfach mitgeschleppt hatte. Das einzig Wichtige war, mir diese schwarze Dame näher anzuschauen.

Jetzt stand sie vor mir. Sie war etwas größer als ich und in meinen Augen einfach wunderschön. Ob ich Eindruck bei ihr machte, kann ich nicht sagen. Sie war so kühl und schien kaum interessiert.
Bevor wir noch nähere Bekanntschaft schließen konnten, zog Frauchen mich mit in Richtung Auto. Doch als ich mich nach der Hündin umschaute, sah ich sie in einiger Entfernung – total gelangweilt, wie es schien – folgen. Ich hätte sie schon gern näher kennen gelernt, doch wir fuhren mit unserem Auto auf die Finca. Zwar war es nur etwas über einen Kilometer, doch eine unüberwindliche Entfernung für mich, der ich zu Hause sofort wieder an die Kette gelegt wurde.
Ich dachte an sie und stellte mir vor, wie schön es sein müsste, eine Partnerin zu haben. Jemanden, der immer bei einem blieb, mit
dem man alles teilen konnte. Ja, ich war gern bereit, auch meine Menschen mit ihr zu teilen. Doch das sind Träume, die nie in Erfüllung gehen, sagte ich mir.

Es wurde Nacht. Meine Leute verschlossen das Haus und gingen ins Bett. Ich lag vor meiner Hütte, denn es war eine milde Nacht. Ich war eingeschlafen, als ich von einer Bewegung in meiner Nähe aufschreckte. Wie gesagt: ich bin nicht gerade mutig. Also zog ich mich in meine Hütte zurück. Sicher ist sicher. Irgendetwas kam über den Hof direkt auf mich zu. Ich wagte keinen Blick hinaus, denn unser Grundstück ist nicht umzäunt und jeder hätte es betreten können.
Dann schob sich etwas vor den Eingang meines Hauses und ich bekam einen fürchterlichen Schrecken. Doch was war das? Ein Schnüffeln... und dann streckte sich ein schwarzer Hundekopf in mein Heim. Ich erkannte sie sofort: es war die Schöne vom Markt. Sie war gefolgt! Sie hatte mich gefunden!





Ich sprang auf, um sie zu begrüßen. Mein Herz schlug wie wild. Sie war jünger als ich, machte jedoch einen abgeklärten Eindruck.
Meine stürmischen Annäherungsversuche wurden nicht erwidert. Ganz im Gegenteil: sie betrat die Hütte, legte sich auf meinen Platz und schlief einfach ein.
Doch das war mir egal. Ich war einfach glücklich, sie wiederzusehen. Über den nächsten Tag machte ich mir keine Gedanken. Ich legte mich vor mein Haus, um sicherzugehen, dass die Schöne nicht einfach wieder aus meinem Leben schritt und schlief selig ein.






                          F I N D U S


Ja, ja, ich weiß... es gibt eine Tiefkühlkost mit dem gleichen Namen. Der Witz ist nicht neu und angefangen beim Tierarzt haben sich alle schon reichlich ausgeschüttet vor Lachen. Damit ist das Thema wohl durch!

Wenn ich mir die Erzählungen meiner drei Vorgänger so anschaue, kommt jetzt wohl die Frage nach meiner Kindheit. Die ist mir wurscht und ICH erzähle hier ja schließlich!

Ob ich glücklich war, bevor ich den Hondo kennen lernte? Weiß nicht. Kann sein, kann auch nicht sein. Was ist schon Glück? Im Gegensatz zu Hondo stehe ich nicht so sehr auf Menschen. Sie können mir durchweg gestohlen bleiben. Ich lebe auf meine Art und mache was ich will. Meine Körperkräfte geben mir das Recht dazu.




Ob die Menschen mich mögen? Weiß ich nicht. Ist mir auch egal. Auf jeden Fall haben sie mir immer Respekt entgegengebracht. Ihr Glück!
Also: ich bin kein Schoßhündchen, habe meinen eigenen Kopf und sehr feste Vorstellungen von meinem Leben. Glück! Pa... brauche ich nicht – genauso wenig wie Menschen. Die wollen einen sowieso nur immer beherrschen und rumkommandieren. Da spiele ich nur mit, wenn ich Lust habe.

Mit Hondo war das etwas anderes. Den habe ich von Anfang an gemocht. Zwar war ich nicht bis über beide Ohren verliebt oder habe gar den Kopf verloren – nein! Aber Hondo sah schon verdammt gut aus und – jetzt kommt das Wichtigste für mich – er schien mir der ideale Vater der Kinder, die ich mir so sehr wünschte.

Oh ja, das ist mein wunder Punkt: ich liebe Babys. Ich wollte einen ganzen Wurf dieser kleinen, wimmernden, unschuldigen und unselbständigen Möpse.
Als ich Hondo kennen lernte, war ich drei Jahre alt. Im besten Alter für eine Mutterschaft. Für mich war sofort klar, dass Hondo der ideale Vater sein würde. Er hatte Rasse, eine tolle Figur, war kein Draufgänger, sondern eher romantisch, doch an seiner Männlichkeit bestand kein Zweifel.

Seine Menschen störten mich nicht. Hätten sie doch mal versuchen sollen, mich wieder von der Finca zu vertreiben. Ich hatte noch nie eigene Menschen und wollte auch keine. Man hört in dieser Hinsicht selten etwas Gutes aus Hundekreisen.
Hondo schien es aber gar nicht schlecht erwischt zu haben. Eigene Hütte, recht gutes Futter und frisches Wasser. Er lag zwar an einer Kette – aber sie war wenigstens lang.

Seinen Menschen gegenüber – es waren gleich vier -– verhielt ich mich zunächst abwartend-freundlich. Zunächst einmal die Lage sondieren. Doch eines war schon bald klar: Hondo dort fortzulocken, schien unmöglich. Er war froh, dass er sein Unter- und Auskommen hatte und tat alles, was seine Menschen von ihm erwarteten. Ganz schön abhängig, der Junge!

Bald hatte ich das Gefühl, in eine richtige Falle getappt zu sein. Die Menschen ‚schenkten’ mir ein Halsband und befestigten dieses mittels einer Kette an einer Mauer. Wenigstens konnte ich Hondo gut erreichen und mein Schlafplatz befand sich unter einer schützenden Terrasse. Nervig war auch das Tamtam, was mit mir aufgeführt wurde. Die beiden Menschenkinder bekamen die Aufgabe, Hondo und mich zu ‚pflegen’. Jeden Tag wurde an uns herumgebürstet. Lästig. Wir wurden auch an Leinen ausgeführt, doch man ließ mich niemals zusammen mit Hondo frei herumlaufen.

Ich bin zwar von Natur aus träge, hätte diese Situation aber bestimmt nicht geduldet, sähe ich nicht ein bestimmtes Ziel vor Augen. Ich wollte Mutter werden. Und diesem Ziel war ich bereits ein ganzes Stück näher gekommen.

Ich erwähnte ja bereits, dass Hondo mich bzw. ich ihn trotz der Ketten gut erreichen konnte. Es ist nicht mein Stil, intime Einzelheiten auszuplaudern. Ende Dezember war ich mir sicher: ich war guter Hoffnung. Ich würde Mutter werden. Mein größter Wunsch sollte sich erfüllen.

Ganz in mich versunken stellte ich die ersten Veränderungen an meinem Körper fest. Ich verträumte die Tage, aß was ich nur essen konnte und ruhte viel. Meine Gefühle und Gedanken beschäftigten sich nur noch mit der Mutterschaft. Was um mich herum passierte, interessiert mich kaum. So ist es nicht verwunderlich, dass ich die aufkommende Hektik auf der Finca nicht mitbekam. Zwar sah ich dort jetzt ab und zu fremde Menschen auftauchen, aber meine Anteilnahme an diesem Geschehen war begrenzt.

Kurz vor meiner Niederkunft fand ein Wechsel der Menschen auf der Finca statt. Doch meine größere Sorge war, dass ich immer noch kein Plätzchen hatte, um meine Kinder zur Welt zu bringen. Nicht einmal eine Decke hatte ich und es war sehr kalt und feucht, jetzt, Anfang Februar.

Am Rande bekam ich mit, dass mit den beiden neuen Menschen auch zwei Artgenossen auf der Finca Einzug hielten. Doch auch das störte mich im Augenblick nicht weiter.
Zum ersten Mal in meinem Leben erfuhr ich dann, dass es auch gute Menschen gab. Man baute mir eine Höhle, auf dem Boden lagen warme Decken. Nicht so angenehm war es, von ihnen in meinem Zustand in ein Auto verfrachtet zu werden. Ich lernte das erste Mal einen Tierarzt kennen. Dafür konnte ich mich nicht erwärmen: ich wurde abgetatscht, gedrückt und gestochen. Es ist schon ein Glück für die Leute gewesen, dass ich nicht mehr sehr angriffslustig war in meinem Zustand. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dieses Getue hätte etwas mit meiner Trächtigkeit zu tun. So ließ ich sie also gewähren.

 



Wieder auf der Finca wurde ich von meinen neuen Menschen verwöhnt (ja, ja, ich weiß, ich sagte ‚meine’ Menschen. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich meine grundsätzliche Meinung änderte. Aber die Fürsorge und Liebe dieser beiden Exemplare bewegten mich schon).
Und ich genoss! Ich bekam die feinsten Leckereien, dazu gab es manchmal Milch zu trinken und etwas ganz Neues, für mich Unbekanntes, was sie Käse nannten. Sie erklärten mir, ich bräuchte jetzt viel Calcium, um gesunde, starke Welpen zu bekommen. Ich wunderte mich, was Menschen so alles wissen. Ich fühlte mich sehr wohl und stark genug, die nah bevorstehende Geburt zu überstehen.

Am 14. Februar war es dann soweit. Etwas regte sich in mir und ich legte mich auf mein warmes, geschütztes Lager. Um 13.30 h erblickte mein erstes Kind das Licht der Welt. Sofort standen meine Menschen an meinem Lager. Sie waren aufgeregter als ich, hielten sich aber in einiger Entfernung auf. Wieder war ich überrascht, wie gut sie meine Gefühle einschätzen konnten. In den nächsten zwei Stunden brachte ich fünf Kinder zur Welt. Sie waren alle wohlgestaltet und natürlich die schönsten Welpen auf der ganzen Welt.

Ich glaubte schon, ich hätte es überstanden, doch nach einer langen Pause ging es weiter. Bis zum Abend hatte ich 10 (in Worten: zehn) süße, wonnige Nachkommen. Ich war glücklich, aber total erschöpft. Zehn kleine Knäuel lagen um mich herum. Alle fein gesäubert und nach und nach an die Zitzen geführt. Wie froh war ich über mein warmes Lager, denn ich hätte allein diese Kinderschar nicht warm halten können. Sie saugten, schmatzten, schliefen und kuschelten. Nie hat es vorher schönere, dickere und gesündere Babys auf dieser Welt gegeben. Die Mutterschaft befreit nicht von einigen, natürlichen Bedürfnissen. Meine Menschen – die ich auf Distanz von meinen Kindern hielt – taten etwas, was ich nie erwartet hätte: sie lösten meine Kette. So konnte ich ab sofort ungehindert meinen ‚Geschäften’ nachgehen und zurückkriechen zu meinen Kleinen, ohne dass eines von ihnen durch die schwere Eisenkette verletzt wurde.

 



Die ersten Tage meiner Mutterschaft waren ein Taumel aus Glücksgefühlen und Angst, ob es ihnen auch allen gut ergehen würde. Hondo versuchte immer wieder, einen Blick auf unsere Kinder zu werfen. Aber da hatte er bei mir keine Chance. Männer sind so tollpatschig. Wer weiß, was alles hätte passieren können. Vorsicht war geboten und ich wachte eifersüchtig über meine Kleinen – Menschen und Artgenossen gegenüber. 

 


Noch konnten die Kinder weder hören noch sehen. Sie waren so hilflos und lieb – ach, wenn sie doch immer so bleiben würden. Ich hatte sechs Buben und vier Mädchen das Leben geschenkt. Fast alle waren pechschwarz und glänzend.

Und dann begannen sie nach und nach die Augen zu öffnen. Blassblau strahlten sie mich an. Die Ohren – zu Beginn noch winzige Knospen – begannen ihre Form zu wechseln und nach und nach veränderte sich auch die Farbe des Fells. Zwei bekamen weiße Blässen und die anderen Flecken in braun, die verrieten, wer der Vater war.

Ich genoss die Zeit und betrachtete hingerissen die Fortschritte meiner Nachkommen. Dank des guten Futters meiner Menschen hatte ich genug Milch, um alle zehn Welpen ausreichend zu ernähren.

Ach, so hätte es ewig bleiben können, dachte ich mir damals. Doch schon nach wenigen Wochen wuchsen die Milchzähne meiner Kinder und sie bekamen scharfe Krallen. In wenigen Tagen waren meine Zitzen rot und begannen sich zu entzünden. Trotz der Schmerzen versuchte ich, meine Kleinen weiterhin zu ernähren.

Wieder einmal staunte ich, welch aufmerksame Beobachter meine Menschen waren. Sie hatten inzwischen einen Großteil meines Vertrauens verdient und erhalten. Natürlich verfolgte ich sehr genau, wenn sie eines meiner Kinder in die Hand nahmen. Doch sie waren sehr vorsichtig und zärtlich.

Als ich mich nach ca. 5 Wochen außerstande sah, auch nur noch eines meiner Welpen an meine Zitzen zu lassen, geschah etwas, was mich endgültig und für alle Zeiten mit meinen beiden Menschen verbinden wird: sie übernahmen die weitere Aufzucht meiner Kleinchen. Nun sind Menschen ja schließlich keine Hunde – und so artete die mehrmalige tägliche Fütterung in echte Hektik aus.
Frauchen brachte zwei große, flache Teller mit einem braunen Brei darauf. Sie stellte ihn auf den Boden und dann holte sie das erste Baby, setzte es an den Tellerrand und holte das zweite. Dabei war das erste schon mitten im Brei. Es wurde herausgeholt und wieder an den Tellerrand gestellt. Wurde nun das dritte geholt, befanden sich die ersten beiden schon wieder mitten im Brei. Anerkennend muss ich sagen, dass meine Menschin eine erstaunliche Geschwindigkeit an den Tag legte. Nach Beendigung der Mahlzeit sahen alle aus wie kleine Schweinchen – und nicht nur meine Kinder.
Ich wurde von dieser Prozedur immer ferngehalten, durfte aber dann die Reste von den Tellern und vor allem von meinen Babys schlecken.

Eine Stunde nach dieser Fütterung folgte die gleiche Aufregung mit zwei Tellern voller Milch mit Calcium. Von meiner Nachkommenschaft wurde ein unvergleichliches Milchbad veranstaltet. Herzig. Nur Frauchen war anschließend immer völlig fertig. Aber gerecht war sie. Nie ließ sie es zu, dass mein stärkstes Kind die anderen am Futtern oder Trinken hinderte. Bald wurden die Kleinen größer und die Mahlzeiten auf drei Teller verteilt. Mein Frauchen bekam eine gewisse Routine und die Kleinen – nicht anders zu erwarten bei meinen Kindern – lernten, vom Tellerrand zu essen, ohne dass das Meiste im Fell oder an den Füßchen kleben blieb.

Als ich Frauchen mal wieder erschöpft auf einem Stuhl unter dem Porche sitzen sah, legte ich ihr das erste Mal meinen Kopf auf das Knie. Ich war ihr dankbar und verstand, wie gern sie mich und meine Familie hatte. Erstaunt sah sie mir in die Augen und legte dann ihre Hand auf meinen Kopf.

‚Verstehen wir uns endlich, Findus?’, fragte sie.

Oh ja, Frauchen, wir verstehen uns!

Meine Kinder gediehen und waren bald kugelrund. Inzwischen hatten sie einen großen Korb bekommen, ausgelegt mit warmen Decken. Es war eine Wonne und mein Mutterherz schlug Purzelbäume, wenn ich sie alle zehn dort zusammengekuschelt betrachtete. 





Endlich konnte ich mich wieder auf meinem Platz ausstrecken und von den Strapazen der Aufzucht erholen. Das war dringend nötig. Ich fühlte mich nicht gut. Fast krank. Waren zehn Kinder vielleicht doch etwas viel gewesen? 






Die Menschen übernahmen also meine Pflichten und Hondo das Spielen.
Wie recht ich doch mit der Auswahl dieses Vaters gehabt hatte. Hondo war perfekt. Er lag oft unter dem Porche auf dem Rücken und ließ unsere Rasselbande über seinen Bauch krabbeln. Und wie sie ihn quälten. Sie bissen ihm in die Ohren, die Lefzen, spielten Fangen mit seinem Schwanz. Inzwischen wusste ich, dass Hondo unseren Kindern niemals etwa Böses tun würde. War er ohnehin schon ein sanfter Rüde – bei ihnen wurde er zum Sklaven.

Es waren glückliche Tage...

Ich kann wirklich nicht sagen, wer von uns allen unglücklicher war, als der Tag der Trennung kam – Hondo, meine Menschen oder ich. Durch viele Gespräche und die Tränen meines Frauchens war ich darauf vorbereitet, dass 14 Hunde auf einer Finca mehr waren, als meine Menschen sich leisten konnten. Ja, da waren außer uns immer noch der Gremlin und die Maximiliane. Doch davon später mehr.

Unangenehme Themen schiebe ich lieber weit weg.







So kam der Tag, an dem die Menschen neun meiner Lieblinge ins Auto brachten. Ich sollte sie nie wieder sehen. Doch Frauchen versprach, dass es allen weiterhin gut ergehen würde.
Ich bin der Meinung, dass einige Menschen uns sehr gut verstehen – zu ihnen gehörte meine Menschin. Sie ließ mir meine Lieblingstochter Kim. Es war die Stärkste aus meinem Wurf, selbstbewusst, energiegeladen und kühn. Sie sah Hondo sehr ähnlich – abgesehen von seinem Charakter... Nichts lag ihr ferner als Romantik. Sie stand mit ihren kurzen Beinchen fest auf dem Boden der Tatsachen und achtete von der ersten Stunde an darauf, nicht zu kurz zu kommen.

Nun waren wir eine kleine, aber sehr glückliche Familie – Hondo, Kim und ich. Eine Mutter zu sein, bedeutete mir alles und auch für Hondo waren glückliche Tage angebrochen.


Hondo litt trotz allem unter Depressionen. Er liebte unsere Menschen, mich und vor allen Dingen seine Tochter Kim. Aber die Phobien seiner Kindheit wurde er niemals los. Vielleicht verwöhnte er gerade deswegen Kim so sehr. Die beiden waren unzertrennlich und spielten bis die Müdigkeit Kim übermannte. Ich denke heute, Hondo wäre eines Tages an gebrochenem Herzen gestorben, hätte er nicht das große Glück der Vaterschaft erlebt. Kim reparierte viel an seiner kranken Seele – wenn auch leider nicht alles.

Nachdem meine Tochter selbständig wurde, konnte ich mich endlich auch wieder mit meiner Umwelt befassen. Wie gesagt, hatten meine Menschen jetzt einen hohen Stellenwert erreicht. Bestimmt waren sie Ausnahmen, denn ich habe niemals vorher von meinen Artgenossen etwas Ähnliches über Zweibeiner gehört. Aber ich muss einräumen, dass ich auch niemals Kontakt zu Hunden mit eigenen Menschen hatte. Egal: sie gehörten mir (naja – uns) und ich begann mich sehr für sie zu interessieren. Es war eine neue Erfahrung in meinem Leben, das Gefühl sich von einer Menschenhand den Pelz kraulen zu lassen.

Gern hatte ich es auch, gebürstet zu werden. Nun war ich nie


eine große Schönheit gewesen, aber immerhin bekam ich glänzendes Fell und nahm – anfangs zu meinem Unbehagen – unter Aufsicht meines Frauchens einige Kilo ab. Ich fühlte mich attraktiv.

Bei all der empfundenen Dankbarkeit wäre ich sogar bereit gewesen, die zwei von den Menschen mitgebrachten Artgenossen zu akzeptieren. Der kleine Gremlin war so groß wie meine Tochter im Alter von zwei Monaten und rührte an meine mütterlichen Gefühle. Das Problem war die Maxi – oder Maximiliane, wie diese eingebildete Gans sich selbst nannte.

Oh ja! Sie war eine Schönheit! Aber ich bin nicht neidisch und hätte sogar ihr seidiges Fell, ihre eleganten Bewegungen und ihre Elastizität ertragen, wenn sie mich nicht ständig belästigen würde. Ich war nämlich, was sie nie in ihrem Leben sein konnte: Mutter!

Maxi war operiert und würde nie Kinder bekommen. Normalerweise hätte ich Mitleid mit ihr gehabt, doch ihre begehrlichen Blicke zu meiner Kim störten mich über alle Maßen. Ihr Neid ging soweit, dass sie mich eines Tages angriff. Sie – diese halbe Portion.

Unsere Menschen achteten streng darauf, dass wir von den neuen Artgenossen ferngehalten wurden. Doch eines Tages passierte es: ich kam von der Wiese, auf der ich meine ‚Geschäfte’ erledigt hatte und die Tür der Finca stand etwas offen. 

Blitzschnell schoss Maxi heraus und auf mich zu. Sie griff sofort an. Trotz meiner Diät wiege ich doppelt so viel wie diese Göre, habe die älteren Rechte auf der Finca – und dieses Küken wagte es!
Ich war so verblüfft, dass ich an eine Gegenwehr zunächst nicht dachte. Dieses kleine Monster biss mich in den Hals und versuchte dann, mir ein Ohr abzureißen. Spitze Zähne hatte das Luder und tat mir verdammt weh.
Ich knuffte zurück und versuchte, sie zur Vernunft zu bringen. Es war vergeblich. Sie biss und biss. Meine Menschen waren inzwischen mit einem Wasserschlauch hinter uns hergelaufen. Direkt einzugreifen war ihnen wohl zu gefährlich. Ich konnte es verstehen, den Maxi stand total neben sich. Durch ihre Wendigkeit gelang es Maxi, sich in meinem Hals zu verbeißen. In letzter Sekunde gelang es Herrchen, ihr den Strahl des Schlauches direkt ins Maul zu führen. Endlich ließ mich dieses Biest los. Das sollte mir eine Lehre sein, schwor ich mir. Die würde mich nie wieder überrumpeln. Sie wollte Krieg? Den konnte sie bekommen!
Maxi meinte, aus dieser Begegnung als Sieger hervorgegangen zu sein. Sie tänzelte an Herrchens Seite herum und kümmerte sich überhaupt nicht um die Vorhaltung meiner Menschen.






Maxi wurde eingesperrt und ich gründlich von Frauchen untersucht. Doch ich war in Ordnung. Maxi hatte es trotz ihrer spitzen Zähne nicht geschafft, durch mein dickes Fell zu beißen. Trotzdem war ich verletzt: in meinem Stolz. Wie immer, wenn ich mich zurückziehen wollte, verzog ich mich in meinen Backofen.
Noch niemals vorher in meinem Leben war ich körperlich angegriffen worden. Nun, die Stunde der Abrechnung würde kommen. Ich war gewappnet und vorgewarnt.








                              K I M



Hallo, ich bin die Kim. Die Prinzessin der Finca. Ein Blumenkind, denn ich wurde am 14. Februar geboren. Na ja, das mit dem ‚Erblicken’ kam ein paar Tage später. Natürlich kann ich mich daran nicht mehr erinnern, aber Mum und Paps erzählen oft davon. Sie haben immer so einen verklärten Blick dabei. Sie lieben mich – meine Eltern. Und ich liebe sie. Ganz besonders Paps, mit dem kann man so herrlich spielen. Er ist nie böse, wenn ich an seinen Ohren zupfe, auf seinem Ball kaue oder aus seinem Napf fresse. Er ist der Größte – mein Paps!

Als ich noch kleiner war, hatte ich neun Geschwister. Sie leben inzwischen woanders und ich bin verdammt froh darüber. Meine Erinnerungen an sie waren keine besonders positiven. Ich musste immer um den besten Platz am Futternapf kämpfen und ständig waren sie mir im Wege. Auch Paps gehörte mir nie allein. Doch das ist nun vorbei.

Auf der Finca leben neben mir und meinen Eltern noch die Tante Maxi und der Onkel Gremlin – und unsere Menschen natürlich. Menschen sehen ganz anders aus als wir. Sie bellen nicht und haben wenig Verständnis für meine Art von Spielen. Anfangs fand ich sie total überflüssig. Ich konnte sie eigentlich nicht leiden. Ich wollte immer nur bei meiner Mami bleiben. Mami ist so schön weich, warm und kuschelig. Als meine Geschwister fort waren, durfte ich ganz allein von Zeit zu Zeit an ihren Zitzen nuckeln. Alle zehn gehörten mir!
Aber Mum hatte das nicht gern. Also musste ich wohl oder übel das Futter unserer Menschen annehmen. Nicht, dass es schlecht war, es war fein. Aber ich wollte lieber Mums Milch.

Papi hat nur eine Zitze, so eine große. Ganz hinten. Aber.... brrrrr. Ich glaube, die lasse ich lieber. Paps ist ganz anders als Mum. Bei ihr muss ich immer still stehen oder liegen. Dann werde ich geputzt und abgeschleckt. Mal mag das angehen, aber wollte ich an ihren Ohren knabbern oder mit ihrem Schwanz spielen, bekam ich einen Knuff.

 


Nur ich – ich darf alles!

Da war Paps besser. Ich darf ihn überallhin beißen, bis er quietscht. Meine Zähnchen sind halt scharf und spitz. Trotzdem hat er mich immer gewähren lassen. Mein Lieblingsspiel ist, wenn ich angeflitzt komme und er sich auf den Rücken fallen lässt. Dann krabble ich auf seine Brust und beiße ihm in die Kehle. Mum darf das nie bei ihm und er nicht bei ihr.

Onkel Gremlin fand ich von Anfang an nett. Er hatte damals ungefähr meine Größe, war aber viel erfahrener. Der konnte flitzen! Er zeigte mir die schönsten Sonnenplätze und schnüffelte immer an mir, bis ich lachen musste. Ich glaube, er hatte mich besonders gern, weil ich endlich ein Artgenosse in seiner Größe war. Doch das war nur vorübergehend, wie er später enttäuscht feststellte.

Tante Maxi war die Schlimmste in der Familie. Sie konnte nie stillhalten. Sie springt höher als mein Gummiball und brachte mir das Klauen bei.
Damals mochte ich Tante Maxi ganz gern, aber man musste vorsichtig sein, denn sie ist eine recht rohe Artgenossin. 



Ach, schöne Kindheit! Was hatte ich für Freiheiten. Alle anderen mussten immer an Ketten liegen. Natürlich waren sie auch mal frei, aber ich war es immer. In der Nacht wechselte ich das Lager zwischen Mum und Paps. Gremlin und Maxi schliefen nicht bei uns draußen. Sie wohnten mit den Menschen im Haus. Natürlich hatte ich auch mein eigenes Lager – hoch oben auf einer Sonnenliege mit weichem Kuschelkissen. Aber lieber kroch ich zu Papi in die Hütte oder lag an Mamis Brust.

Unsere Menschen nahmen mich damals oft auf den Arm – was ich gar nicht gern hatte. Es war verdammt hoch da oben. Immer war ich froh, wieder auf meinen eigenen stämmigen Beinchen zu stehen.
Rund um die Finca gab es einen herrlichen Garten. Er war voller Bäume und Büsche und das Gras wuchs so hoch, dass es ein großes Abenteuer war, darin herumzustrolchen.

Als ich ganz klein war, war es immer kalt und nass. Doch schon bald begann eine wunderbare Zeit. Die Sonne schien und es gab allerlei Getier zu entdecken. Am liebsten jagte ich Eidechsen. Sie sind so schnell und es gelang mir selten, eine mit der Pfote am Schwanz zu erwischen. Die Menschen hatten für meine Jagd kein Verständnis. Sie wollten nicht einmal, dass ich Mäusen nachstellte. Anstatt mich zu loben, wenn ich ihnen eine davon brachte, gab es Schelte. Verstehe einer diese Menschen!

Ich war Tag und Nacht frei und hatte außer Fressen und Schlafen keine Aufgaben. So erkundete ich unsere Umgebung und kannte mich bald bestens aus. Ich war wohl der glücklichste Hund auf Gottes Erdboden. Mein Vater brachte mir viele Dinge bei. Er lehrte mich zu kämpfen – er war geschickt und schnell. Mutter unterwies mich in Körperpflege. Doch meist war sie zu träge, um sich mit mir zu beschäftigen. Sie überließ das ihrem Mann.


Papi hatte eine Aversion gegen Bachstelzen, die jeden Herbst auf unsere Finca kamen. Er konnte sie nicht leiden und tobte wie wild an der Kette, wenn so ein Vogel sich in seiner Nähe niederließ. Man sagt über ihn, er hätte Depressionen. Also, ich muss sagen: wenn ich mit ihm zusammen bin, ist davon nichts zu spüren. Mit mir blödelt er herum, als ob er selbst erst ein paar Monate alt wäre. Aber komisch ist er manchmal schon, wie ich im Laufe der Zeit bemerkte.

Er hat zum Beispiel Angst vor der Dunkelheit. Sobald es Nacht wurde, war er aus seiner Hütte nicht mehr rauszubekommen. Er hat auch Angst vor Böllern und Gewehrschüssen. Die schlimmste Zeit im Jahr für ihn ist von Oktober bis Februar, wenn die Jäger bei uns im Tal unterwegs sind. Aber davor hat Tante Maxi ja auch Schiss – und dabei tut sie immer so, als ob sie keine Angst kennt.

Es dauerte Monate, bis ich mich meinen Menschen mehr zuwandte. Ich stellte dann fest, dass sie immer ganz besonders gute Kraulstellen kannten und meine zerknüllte Decke wieder in Ordnung brachten. Es machte auch Spaß, mit Frauchen eine Wanderung zu unternehmen. Wir gingen oft ins Tal, in das ich mich allein noch nicht traute. Hui, da gab es viel zu entdecken. Das Gras war auch hier so hoch, dass ich springen musste, um nach Frauchen zu schauen. Es gab Schlangen, Frösche und einen kleinen Bach. Alles war riesig interessant. Und wenn ich doch mal ängstlich wurde, war die Menschin immer in der Nähe. Mit Herrchen konnte man derbe Späße machen. Er warf meinen Ball viel weiter als Frauchen und war auch nicht so ängstlich wie sie. Aber von Frauchen gab es Essen und frisches Wasser in meinen Napf. Beide hatten wirkliche Vorteile.

Nach einem Jahr war ich größer als Paps, ja sogar als Mum. Gremlin hatte sich schon lange enttäuscht von mir zurückgezogen und Maxi schien recht sauer zu sein. Sie hatte es sich angewöhnt, mich zu maßregeln und wie ein Kleinkind zu behandeln. Sie ärgerte sich halt, dass sie nun zu mir aufschauen musste.

Leider hatte ich inzwischen auch mit der Kette Bekanntschaft machen müssen, aber die meiste Zeit am Tage war ich frei. Ich hatte eine Menge gelernt. So auch, dass es außer unserem Menschen noch andere Zweibeiner gab. Selten kam es vor, dass welche auf unsere Finca kamen. Ich mochte sie allesamt nicht leiden. Es regte mich auf, wenn sie zu Besuch kamen und ich dann ‚vorsichtshalber’ an die Kette gelegt wurde. Überrascht stellte ich fest, dass diese Menschen Angst vor uns hatten. Vor uns allen – außer vor Gremlin. Der fand Menschen im Allgemeinen ganz wundervoll. Er wollte von ihnen gestreichelt werden. Ich finde das charakterlos.

Doch diese Eindringlinge kamen selten. Normalerweise genoss ich das Dasein, wurde von allen geliebt und hatte ein freies Leben.
Dass es damit ein Ende hatte, lag natürlich einmal wieder an Maxi.

Es gab bei uns zu Hause einen festen Fahrplan. Meine Eltern und ich waren nachts an unseren Ketten und Gremlin und Maxi im Hause bei den Menschen. Wenn unsere Herrschaften nun morgens aufstanden, kamen sie als Erstes zu uns. Nacheinander wurden wir freigelassen, um ein wenig zu toben und unsere ‚Geschäfte’ zu erledigen. Meine Eltern wurden danach in einen gerade fertig gestellten Zwinger gesperrt. Er war groß und gemütlich. Ich verblieb an meiner Kette unter dem Porche.

Kaum waren wir fertig, kam der große Auftritt von Gremlin und Maxi. Die beiden stürmten aus dem Haus, auf die große Wiese und konnten sich austollen.

Eines Morgens kam Maxi anschließend zu mir. Das war schon häufiger passiert und eigentlich kein Grund zur Aufregung. Aber in der vergangenen Nacht schien die Dame schlecht geschlafen zu haben. Diese Zicke machte mich doch einfach an! Es gab ein kurzes Gerangel, weil ich die Sache nicht ernst nahm. Doch dann biss sie mir so stark ins Ohr, dass ich vor Schmerz laut aufschrie. Oh, das tat so weh!
Die Menschen wollten sofort dazwischen gehen, aber Maxi ließ mich einfach nicht aus. Ich war wie gelähmt und verstand nicht, was da geschah. Was hatte Maxi nur gegen mich? Wieder einmal wurde das Gerangel mittels eines Wasserschlauchs aufgelöst. Ich hatte ein blutendes Ohr, Frauchen einen blutenden Finger (natürlich von Maxi) und außerdem fehlte mir ein Stück Fell über einer Augenbraue. Benommen ging ich auf meinen Platz und verstand nichts mehr.

Meine Verletzungen waren nicht gefährlich – wovon sich Frauchen sofort überzeugte – aber die taten mir noch lange Zeit weh. Meine Eltern hatten sich während des Vorfalls schrecklich aufgeregt. Sie mussten zuschauen, ohne eingreifen zu können. Mum verfolgte die Maxi seit diesem Tag mit Blicken voller Hass.







                       G R E M L I N


Wenn ich meine Artgenossen so höre, stelle ich fest: keiner hat unter unserem Umzug auf die Finca so gelitten wie ich. Warum konnte nicht alles so bleiben wie es einmal war? Meine Menschen und meine geliebte Maxi waren meine Welt – sie waren genug für mich und ich war glücklich mit ihnen. Warum mussten noch zwei beziehungsweise drei andere hinzukommen?

Als wir einige Tage auf der Finca waren, gingen wir wieder einmal spazieren. Wir, das waren Frauchen – mit Maxi an der Leine - und ich. Ich war frei und durfte vorauslaufen. Es war schön im Tal. Hohes Gras, ein Bach mit Fröschen. Am Schönsten war es, mit Maxi allein ins Tal zu sausen. Mich verschluckte das hohe Gras und von ihr sah man nur den aufgeregt hochgestreckten Puschelschwanz. Viele Orangenbäume gab es ganz unten im Tal – ein wirklicher Stress, sie alle zu markieren. Doch dieses Mal war Maxi ja an der Leine. Schade. Als wir auf dem Rückweg waren, kam Herrchen uns entgegen. Ich glaubte zu träumen, als ich sah, dass er an einer Leine diesen unmöglichen Hondo führte. Ja, ich mochte Hondo von Anfang an nicht. Dieser Schönling! Und was für Augen er meiner Maxi machte. Mir sträubte sich sofort das Fell. Und nun sah ich, dass er Nasenkontakt zu meiner Geliebten aufnahm.

Oh, Maxi, meine Maxi! Zum ersten Mal musste ich feststellen, dass sie eine Kokotte war! Ihr gefiel wohl dieser geschniegelte Typ. Sie ließ sich beschnuppern, drehte sich und poussierte ganz eindeutig mit ihm. Ich war entsetzt!

So schnell mich meine Beinchen trugen, sauste ich auf die Gruppe zu. Dem musste sofort ein Ende gesetzt werden! Nun gut, Hondo war sehr viel größer als ich (beängstigend groß, je näher ich kam), aber er war an der Leine und ich nicht. Außerdem hatte ich eine teuflische Wut im Bauch. Fast hatte ich ihn erreicht, um meine Zähne in eines seiner Hinterbeine zu schlagen, da dreht er sich zu mir um... Und was macht dieser Einfaltspinsel? Er streckt mir ganz freundlich die Nase entgegen! So nicht! Erst meine Freundin anmachen und sich anschließend bei mir anbiedern! Nein! – Eiskalt verfolgte ich mein Ziel. Vorbei an seiner Nase und – bratz – in seinen Hinterlauf gebissen. Ich ließ wieder los und brachte mich in Sicherheit. Doch Hondo stand nur blöde da und schaute mir nach. Sofort griff ich nochmals an. Diesmal kam das andere Hinterbein dran. Nachdem ich ihn mindestens viermal attackiert hatte, sah ich ihn die Zähne fletschen. Im selben Moment bekam ich einen unsanften Tritt von meinem Herren und flog im hohen Bogen außer Reichweite von Hondos inzwischen geöffnetem Maul.

Mein Mensch hatte mich getreten! Er hatte mich verraten! Liebte er Hondo mehr als mich? Als ich sah, dass Hondo inzwischen fuchsteufelswild geworden war und Herrchen große Mühe hatte, ihn zu halten, verschob ich meinen Gedankengang auf später und sah zu, dass ich nach Hause kam. Unterwegs musste ich dann doch grinsen. Was für eine Blamage für diesen Schönling, dass ich ihn vor den Augen von Maxi so fertiggemacht hatte! Und Herrchen konnte mich mal...

Zu Hause legte ich mich vor den warmen Ofen. Herrchen würdigte ich keines Blickes und Maxi sollte sich nur klein machen. So eine untreue Natur! Nur weil Hondo groß und stark ist und ein ‚Rassehund’? Was hatte er ihr schon zu bieten? Vergaßen alle Frauen so schnell? Erinnerte sie sich nicht mehr an unsere schönen Stunden auf dem Sofa? War es nicht viel schöner, mit mir zu kuscheln, als sich von einem Depp wie Hondo abschnüffeln zu lassen? Und wie sie sich ihm angeboten hatte. Schamlos! Na, die sollte mir mal wieder kommen. Nix! Aus und vorbei! Ich war sauer.

Frauchen kam zu mir. Ach, mein Frauchen! Ich hatte sie ja sowieso immer schon viel lieber gehabt. Sie nahm mich auf ihren Schoss und untersuchte mich nach irgendwelchen Wunden. Liebes, fürsorgliches Frauchen. Ich durfte bei ihr auf dem Sofa bleiben. Dort beruhigte ich mich langsam wieder. Ehrlich gesagt: ich hatte schon Angst gehabt, als ich ins offene Maul von Hondo sah. Wer konnte denn auch ahnen, dass der Kerl plötzlich so wütend wurde?

Und Herrchen hatte mich ja auch eigentlich gar nicht richtig getreten. Er wollte sicher nur dafür sorgen, dass ich außer Reichweite des Hondo kam. Ja, genau genommen war es aus Angst um mich geschehen. Klar. Was sonst?

Als er mich dann zu sich rief, habe ich ihm zu verstehen gegeben, dass ich nicht böse auf ihn bin. Er durfte mich kraulen und lieb haben. Er brauchte mich ja schließlich. Mein Mensch!

Es wurde Zeit, in unsere Schlafzimmer zu gehen. Maxi und ich hatten es gut erwischt. Es ging durch den Patio in ein Bad, in dem unsere Körbchen standen. So hatten wir einen geschlossenen Raum als ’Hütte’ und den Patio für Sonnenbäder und unsere ‚Geschäfte’, wenn es gar zu dringend wurde.

Maxi hatte ich links liegen lassen. Als wir dann in unserem ‚Zimmer’ waren, stupste sie mich mit ihrer kalten Nase an.

‚Nicht mit mir!’, dachte ich.

Stups, stups...

Ich schaute sie an. Ach, diese Augen! Wer kann solch einer Frau schon widerstehen? Ich hatte wirklich nicht vor, wieder auf sie hereinzufallen. Doch es war kalt und so kuschelten wir kurze Zeit später nahe aneinander in ihrem Körbchen.
Aber das nächste Mal... würde ich sie nie wieder anschauen.

     
               


Die folgenden Tage verliefen relativ ruhig. Immer wenn wir raus gelassen wurden, befand sich der doofe Hondo im Zwinger, gemeinsam mit seiner dicken Frau. So konnten sie uns nichts anhaben. Maxi machte sich einen Spaß daraus, immer dicht am Zwinger vorbeizulaufen, um die beiden Großen zu ärgern. Natürlich fand auch ich Gefallen an diesem Spiel. Hondo wurde wild, wenn ich an seiner Nase vorbei sauste. Einmal habe ich sogar mein Beinchen am Zwingergitter gehoben. Unsere Menschen durften diese Spielchen nicht mitbekommen. Dann gab es Schelte und
es wurde an unsere ‚Einsicht’ appelliert. So ein Quatsch!

Es waren einige Wochen vergangen, als mein Herrchen wieder einmal vergaß, die Ausgangstür fest hinter sich zuzumachen. So gelang es mir hinauszuschlüpfen, ohne dass mich jemand bemerkte. Frauchen war mit meinem Erzfeind spazieren und Findus lag an ihrer Kette außerhalb des Zwinger. Ich wollte Kontakt mit ihr aufnehmen. Wenn Hondo schon versuchte, mir meine Maxi abspenstig zu machen, so wollte ich doch mal sehen, ob ich ihm nicht seine Alte ausspannen konnte.

Die Sache ließ sich nicht schlecht an. Ich näherte mich ihr auf Nasenlänge und sie machte ein freundliches Gesicht. Sie streckte mir ihren Riesenschädel entgegen. Was für eine große Frau! Aus meiner Perspektive kam sie mir eher wie eine Bärin als eine Hündin vor. Aber: Frau bleibt Frau, sagte ich mir und legte mich so richtig ins Zeug und konzentrierte mich voll auf Findus. Leider! So hatte ich nicht gemerkt, dass die kleine Kim vom Spaziergang mit ihrem Vater und Frauchen zurückgekommen war. Beide waren frei.... mein Gott!

Die blöde Kim sah mich bei ihrer Mami und fing ein fürchterliches Geschrei an. Schon schoss Hondo um die Ecke auf mich zu und Findus – wie Frauen nun einmal sind – änderte blitzschnell ihre Einstellung zu mir. War sie eben noch freundlich und kontaktbereit, so biss sie mir jetzt in den Po. Ich hatte keine Chance mehr, mich in Sicherheit zu bringen. Hondo packte mich im Genick, während Findus mein Hinterteil nicht loslassen wollte. Diese beiden Bestien hoben mich einfach hoch. Sie zerrten an mir, als wäre ich ein alter Lappen. Ich hing einen halben Meter über dem Erdboden und glaubte, mein letztes Stündlein hätte geschlagen.

Ich schrie und schrie. Wenn auch nur einer von den beiden fester zubeißen würde, wäre es um mich geschehen. Gott stehe mir bei, flehte ich, als meine Menschen um die Ecke der Finca gelaufen kamen. Das Gebell von Kim und meine Todesschreie hatten sie herbeigerufen.

Wunderbarerweise ließen Hondo und Findus sofort von mir ab. Ich fiel auf den Boden, wurde von Frauchen hochgenommen und ins Wohnzimmer gebracht. Ich war am Ende und nicht sicher, überhaupt noch einen heilen Knochen im Leibe zu haben.

Warum mussten wir hier auf dieser Finca mit den beiden Wölfen leben. Warum?
Nie wieder würde ich auch nur einen Schritt in deren Nähe tun. Nie wieder würde ich dem Zwinger zu nahe kommen. Bei den Kräften – wer weiß, ob der Zwinger sie überhaupt halten konnte? Frauchen untersuchte mich ganz genau. Ich hatte überall Schmerzen, aber keine äußeren Verletzungen. Sie hatten nur mit mir gespielt – meinte Frauchen. Ein schönes Spiel! Todesängste hatte ich ausstehen müssen! Noch immer zitternd legte ich mich vor den Ofen. Noch viele Nächte lang träumte ich, ich würde in Stück gerissen von riesigen Wölfen mit mordlüsternen Blicken.





                            M A X I



Der arme Gremlin. Es ist schon ein Fluch, so klein zu sein, dass jeder ihn als Kauknochen ansieht.

Mir gefiel es trotzdem auf der Finca. Ganz besonders natürlich der Hondo. Wie groß und schön er war. Wir hätten das ideale Paar abgegeben. Die Findus war doch viel zu fett und behäbig. Gerade Hondo brauchte eine quirlige Frau, die ihn aus seinen Depressionen herausreißt.

Als ich Findus kennen lernte, sonnte sie sich derart in zukünftigen Mutterfreuden - es kotzte mich an. Nicht, dass ich etwa eifersüchtig gewesen wäre! Von der Geburt und den Wochen danach bekam ich nicht viel mit. Wir wurden streng von ihr ferngehalten. Wahrscheinlich führte sie sich auf, als sei sie die einzige Mutter auf dieser Welt. Erst als nur noch ein Welpe bei ihr war, bekam auch ich Kontakt zu ihm. Kim hieß die Kleine und war ein süßes, kleines Wonneknäuel. Sie war neugierig, die Finca zu erforschen und der Meinung, dies sei die ganze Welt.

Also: niedlich aber doof.

Ich hätte ihr soviel beibringen können – wozu Findus völlig ungeeignet war. Sie lag meist in der Sonne wie ein dicker, fetter Pfannekuchen und ließ ihre Tochter nur dann und wann an einer Zitze saugen. Aber selbst in dieser Hinsicht war sie eine schlechte Mutter. Man stelle sich nur einmal vor: die eigenen Kinder nicht einmal selbst ernähren zu können! Blamabel! Die bequeme Alte überließ es doch tatsächlich den Menschen, die Kleinen großzuziehen. Also nein! 




Kim hatte mich sehr lieb und ich spielte gern mit ihr. Aber sie war überempfindlich – klar, bei den Eltern! Ich wette, dass Hondo mit mir ganz andere Kinder gehabt hätte. Trotzdem bleibt übrig: Kim war damals ein süßer Fratz. Aber ein echtes Mama-Kind, denn sobald ich mit ihr raufen wollte, quietsche sie und rannte zur Alten.

Nach den von Gremlin beschriebenen Vorfällen wurden wir streng von den Finca Hunden getrennt. Nur mit Kim hatten wir noch Kontakt. Sie war nie mit ihren Eltern im Zwinger, sondern lag an einer eigenen Kette vor der Küchentür. Häufig war sie aber auch frei, dann lag ich an meiner Kette vor der Wohnzimmertür.

Bei solchen Gelegenheiten kam die Kleine natürlich sofort zu mir gelaufen, um zu spielen. Das heißt ‚Kleine’ war leider bald nicht mehr die richtige Bezeichnung. Sie wuchs und wuchs. Bevor sie ein Jahr alt war, hatte sie ihre Eltern an Größe überragt. Doch sie war jung und ließ sich leicht von mir leiten. Sie war halt ein richtiges Kind. Auf die Nerven ging mir nur ihr Verhältnis zu Gremi. Der Wichtigtuer konnte es nicht lassen, wieder und wieder mit ihr herumzutollen. Sie fand ihn putzig und war sich ihrer eigenen Stärke und Größe überhaupt nicht bewusst. Spielte sie mit Gremi auf der Wiese – ich konnte ja nicht mitmachen, da ich an meiner Kette lag – legte sie sich auf den Rücken, so dass Gremi ihr spielerisch in die Kehle beißen konnte. Dann sprang sie auf und legte ihm ihre Riesentatze auf den Kopf, was ihn immer sehr irritierte. Doch Gremi war von seiner ‚Nichte’ entzückt. Mir ging das weggetretene Grinsen in seinem Gesicht auf den Nerv, wenn er vom Spiel mit ihr ermüdet zu mir gekrochen kam. Gerade er musste mir Untreue mit Hondo vorwerfen. Gerade er!

Und dann kam es zu der ersten Auseinandersetzung, die Kim ja schon beschrieben hat. Sie braucht gar nicht so dumm zu tun. Sie hat es ganz allein provoziert. Wir wollen doch einmal klarstellen, dass sie auch im Alter von einem Jahr noch ein rechter Rotzlöffel war. Warum musste sie mich so keck ansehen, wenn mein Gremlin mal wieder mit ihr gespielt hatte bis zum Umfallen. So etwas merkte ich mir!
Wie von Kim erwähnt, ergab sich dann ja auch bald die Gelegenheit. Na, die habe ich erstmal wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Und wie ihre Eltern im Zwinger zugesehen und geschrieen haben – einfach köstlich. Damit war ja wohl erstmal klar, wer hier das Sagen hat!
Gremlin und ich hatten auf der Finca noch immer eine gewisse Vorrangstellung gegenüber den anderen Hunden. So kam es vor, dass wir allein mit unseren Menschen Ausflüge mit dem Auto an den Strand oder in die Berge unternahmen.

Eines Tages ging es mal wieder los. Wir fuhren in die Berge. Ab und zu gab es eine Pause, in der Gremi und ich rausgelassen wurden. Dann erkundeten wir die unbekannte Umgebung und konnten uns austoben. Es ging erst weiter, wenn wir freiwillig und müdegelaufen zum Auto zurückkehrten. Wir entfernten uns nie zu weit von unseren Menschen, denn in einem waren Gremlin und ich uns einig: wir wollten bei ihnen bleiben. Zu gut erinnerten wir uns an die Zeit, bevor wir sie fanden. Keiner von uns wollte jemals wieder so etwas erleben – Finca hin, Finca her.

Ziel dieses Ausflugs war ein Bergrestaurant, in dem unsere Menschen gern und häufig einkehrten. Im Auto war es zu heiß, also wurde ich an die Leine genommen und der Gremlin – wie immer – durfte frei herumlaufen. Uns beide zusammen ließ man nur frei, wenn sich ganz bestimmt keine anderen Menschen oder Tiere in der Nähe aufhielten. Frauchen hatte stets Angst.
Nun ja. Meine Menschen saßen auf der Terrasse zum Speisen. Ich lag an ihrem Tisch befestigt zu ihren Füßen (auch ein Vorteil: so bekam ich immer ein Häppchen extra. Von wegen entgangener Freiheit und so.)
Gremlin ließ man in Ruhe durch die Gegend stromern, denn es gab keine Straßen und somit – dachten unsere Menschen – auch keine Gefahren.
Ich konnte von meinem Platz ins Tal hinunterschauen und beobachten, wie Gremlin sich dem Hühnerstall der Restaurantbesitzer näherte. Diese Hühner wurden gehalten, um die Küche täglich mit frischen Eiern zu versorgen. Sie wurden nie geschlachtet. – Bis heute!

Gremlin näherte sich also diesem Verschlag. Der war rundherum mit einem Zaun versehen. Seine ganze Leidenschaft ist das Federvieh. Es zog ihn magisch an. Nicht etwa, dass er sie gern frisst – er liebt die Jagd nach ihnen. Voller Schadenfreude sah ich ihn wieder und wieder um den Verschlag herumschleichen. Plötzlich blieb er stehen und zwängte sich durch eine Lücke zwischen Zaun und Erde – kaum groß genug selbst für den Winzling. Sie wurde durch Kratzen und Buddeln vergrößert und schon stand er wie ein Feldherr inmitten seiner Feinde. Amüsiert betrachtete ich, was nun folgte. Niemand außer mir hatte das Geschehen bemerkt. Doch Gremi war in seinem Element. Die Hatz begann. Ich stand auf, um besser sehen zu können, doch außer Staub- und Federwolken war nicht mehr viel zu erkennen. War das ein Gegacker, ein Gebell und Geschrei... Gremlin befand sich in einem regelrechten Blutrausch. Zwischen dem Federregen sah ich einzelne Hühner schlaff am Boden liegen. Und die Jagd ging weiter und weiter. Durch das Getöse wurden die Leute auf der Terrasse aufmerksam. Einer nach dem anderen stellte sich an die Brüstung in Richtung Tal. Auch Frauchen schaute, bevor sie einen schrillen Schrei in Richtung Herrchen losließ: ‚GREMLIN ist da unten! Tu was!’

Ach du meine Güte! So schnell habe ich Herrchen noch nie laufen sehen. Den Hühnern allerdings nützte das nur noch wenig. Er erreichte das Gitter, fand eine Tür und lief in den Kriegplatz. Gremi hatte davon überhaupt nichts mitbekommen. Wie im Rausch jagte er hinter den letzten Überlebenden her. Selbst als Herrchen ihn am Genick gepackt und hochgehoben hatte, biss der Kleine noch wild um sich. Erst als er eine kräftige Ohrfeige erhielt, schien er zu sich zu kommen.

Gremlin saß im Auto, Frauchen war am Tisch zusammengebrochen und Herrchen verhandelte mit dem Wirt um den Preis für Gremis ‚Vergnügungen’. Anschließend kam er mit zwei großen Gläsern Brandy an unseren Tisch zurück. Meinen Menschen war der Appetit wohl vergangen.

Wir kehrten zum Auto zurück. Gremi lag wie erschossen auf seinem Platz. Wie eine Trophäe schmückte eine weiße Feder sein linkes Ohr. Unsere Menschen ignorierten ihn völlig, doch er schlief so selig, dass es ihm sicher in diesem Moment nichts ausmachte. Und selbst wenn: welch ein geringer Preis für sein Jagderlebnis.


Eines Tages machten unsere Menschen wieder einmal Anstalten fortzufahren. Voller Freude erhob ich mich und begann ihnen hüpfend klarzumachen, dass ich nicht abgeneigt sei, mich ihnen anzuschließen. Aber heute war da nichts zu machen. Ich blieb an der Kette und an meiner Stelle sollte Kim mitgenommen werden. Die Menschen hatten einen Termin beim Arzt für sie ausgemacht. Das passte mir überhaupt nicht. Was hatte diese Göre in meinem Auto verloren?

Bevor es losging, sollte die Kleine noch mal ihre Geschäfte auf der Wiese erledigen. Man konnte ja bei so einem jungen Ding nie sicher sein, ob sie nicht vor lauter Angst vielleicht ins Auto oder bei unserem Doc auf den Tisch pieschern würde. Kim wurde also von ihrer Kette befreit. Wie üblich raste sie gleich toll herum. Ihr hämischer Gesichtsausdruck brachte mich sofort in Rage. Und was macht dieses Kalb? Sie kommt tatsächlich auf mich zu. Wohlmöglich um sich anzubiedern! Die kam mir gerade recht! Sofort verpasste ich ihr ein paar Ohrfeigen, um sie zurechtzustutzen. Doch was macht die?! Sie steckte nicht ein, wie es üblich war – sie biss zurück. Ich war so überrumpelt und verlor den Boden unter den Füssen, als sie mich mit ihren 30 Kilo anrannte. Ich fiel auf den Rücken. Sofort nutzte sie die Gelegenheit, stand über mir und verbiss sich in meiner Kehle. Sie musste mir eine tiefe Wunde verpasst haben, denn ich spürte mein Blut in meinem Fell. Zwar gelang es mir, mich aufzurappeln, doch sofort biss sie von der anderen Seite in meinen Hals.
Ihr Riesenmaul umschloss ihn so fest, dass ich mich nicht mehr zu bewegen wagte. Jetzt setzte auch der Schmerz ein.

Meine Menschen bemühten sich wirklich, mich von Kim zu befreien. Sie nahmen sie an den Hinterbeinen hoch, damit sie den Halt verlor. Doch es war umsonst. Sie hatte sie verbissen und konnte wohl nicht mehr loslassen. Ich stand ganz still, denn mir wurde
langsam mulmig. Wenn ich mich jetzt wehrte, würden mir Kims Zähne den ganzen Hals aufreißen. Mein Blut floss in Strömen und langsam wurde mir schwarz vor Augen.

Warum Kim mich dann doch ausließ, kann ich nicht sagen. Sie wurde sofort von meinen Menschen an die Kette gelegt. Frauchen war fast grün im Gesicht, als sie zu mir zurückkam. Vorsichtig wurde ich nun anstelle von Kim ins Auto gesetzt. Zwar hatte ich es erreicht, doch mitzufahren – aber zu welchem Preis!

Beim Tierarzt wurde mir mein schönes Fell vom Hals geschnitten und ich bekam eine Beruhigungsspritze. Frauchen hätte sie sicher nötiger gebraucht.
Normalerweise mag ich José, unseren Tierarzt, sehr gern. Er hatte eine wunderbare Art, auf mich einzugehen und nannte mich immer seine ‚Schöne’. Doch heute wurde meine Zuneigung auf eine harte Probe gestellt. Nicht nur, dass er mich fast kahl schor, er stach auch mit einer Nadel wieder und wieder in meinen Hals. Es sah aus, als wollte er einen alten Socken stopfen. Es tat weh, obwohl ich eine Spritze erhalten hatte. Vor Schmerz weinte ich leise in Frauchens streichelnde Hand. – Das war die Autofahrt nun wirklich nicht wert gewesen!
Frauchen war schon wieder grün im Gesicht. Aber die Arzthelferin sah auch nicht viel wohler aus. José meinte: ‚Einen Millimeter weiter und sie hätte die Schlagader erwischt!’ Ich schien ein hochinteressanter Fall zu sein.
Ich merkte noch, wie Herrchen mich auf den Armen ins Auto trug. Dann muss ich vor Erschöpfung eingeschlafen sein.

Ich durfte die nächsten 14 Tage kein Halsband tragen. Zunächst musste meine Wunde zuheilen. Also blieb ich bei Frauchen in der Finca. Anfangs sonnte ich mich in dieser Sonderstellung, doch nach den 14 Tagen war ich froh, wieder draußen sein zu dürfen.

Kim würdigte ich keines Blickes. Vor der musste man sich ja in Acht nehmen! So ein gefährliches, hinterhältiges Luder. Und alles nur, weil ich ihr gezeigt hatte, dass ich der Boss auf der Finca war. Wie nachtragend sie war!









                          H O N D O


Eines der schönsten Erlebnisse in meinem Leben war die Vaterschaft. Ich liebte meine Findus, aber meiner Tochter Kim bringe ich noch viel, viel stärkere Gefühle entgegen. Gut erinnere ich mich auch noch an die Zeit, als Findus täglich niederkommen sollte. Sie hatte sich verwandelt von der lieben Gefährtin in eine werdende Mutter. Es war ein Segen, dass sich unsere neuen Menschen so fürsorglich um sie kümmerten.

Ach ja, unsere neuen Menschen .... Bei meinem bisherigen Leben war dieser Wechsel etwas, was ich ergeben hinnahm. Wenigstens durfte ich auf der Finca bleiben. Dort hatte ich meine Hütte und meine Frau. Was kann man mehr erwarten? Zehn Tage, bevor Findus Mutter wurde, kamen unsere neuen Menschen an. Sicherlich hat es mich gestört, dass sie auch zwei Artgenossen dabeihatten, aber ich war zu dieser Zeit wirklich sehr auf Findus fixiert. Trotzdem bekam ich mit, dass Maximiliane ein wunderschönes Mädchen war. Der kleine Trottel Gremlin ist mir zunächst kaum aufgefallen. Aber was interessierte mich das alles auch zu dieser Zeit? 

Ich wusste schon vor Findus´ Trächtigkeit eine Menge über die Erhaltung unserer Art. Aber wir Männer sind ja immer nur zu einem winzigen Teil daran beteiligt. Erst als ich selbst Vater wurde, konnte ich dieses Wunder aus nächster Nähe bestaunen. Wir waren alle schrecklich aufgeregt – meine Menschen und ich. Nur Findus schien die Ruhe zu bewahren. Träge war sie geworden kaum noch ansprechbar für mich. Am 14. Februar um die Mittagszeit war es dann soweit.

Ich döste gerade so in meiner Hütte vor mich hin – ich hatte gut gegessen und war entsprechend müde – als ich durch einen Schrei geweckt wurde. Es klang fast wie ein Menschenbaby – aber es war mein erstes Kind. Ich konnte es sehen! Oh, mein Gott! Es war nicht größer als meine Tatzen und schrie aus Leibeskräften Es war ein Mädchen. Wie gern wäre ich zu Findus gegangen. Ich zerrte an meiner Kette, aber es gab keine Chance.

Findus leckte unser Kleines sauber, packte es mit dem Maul und zog es an eine Zitze. Fast ohne Pause kam das zweite Kind. Und so ging es Schlag auf Schlag. Nach ca. 3 Stunden hatte meine tapfere, geliebte Partnerin bereits sechs Babys auf die Welt gebracht. Na, das war ein Gewühle, Gequietsche und Gewimmere. Aber es war überstanden – meinte ich.

Am Abend war ich dann Vater von 10 Sprösslingen – sechs Buben und vier Mädels.

Ich platzte fast vor Stolz.

Sechs dieser herrlichen Geschöpfe kamen nach mir. Sie hatten schon leicht sichtbar meine Zeichnung. Die anderen Vier waren schwarz wie ihre Mutter. Eines hatten sie alle gemeinsam: sie waren wunderschön, stark und mein eigen Fleisch und Blut. Findus war erledigt, wie man sich vorstellen kann. Sie ließ keinen in die Nähe der Kleinen – auch unsere neuen Menschen nicht. Sie war sehr misstrauisch und besorgt um unsere Nachkommenschaft.

Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Ich beobachtete jede Bewegung in Findus’ Lager. Von den Kindern hörte ich nur ihre spitzen Schreie, wenn sie nicht rechtzeitig an eine gefüllt Zitze kamen und das zufriedene Gemurmel, wenn sie satt einschliefen.

Natürlich musste Findus auch ab und zu mal auf die Wiese oder etwas zu sich nehmen. Das war immer eine große Aufregung. Erst versicherte sie sich, dass auch niemand in der Nähe ihres Lagers war, dann stürzte sie los auf die Wiese. Da es kalt war, begannen die Kleinen sofort zu schreien. Es fehlte ihnen die Wärme ihrer Mutter! Findus beeilte sich sehr, zu ihnen zurückzukehren. Das war für mich nervenzerfetzend. Die große, schwere Findus mit ihren fast 60 Kilo ging vorsichtig zurück zum Lager. Sie versuchte, niemals ein Kleines dabei zu treten, aber natürlich passiert es doch hin und wieder. Es waren ja so viele. Doch meine Frau war nicht nur eine gute Mutter, sie war auch klug. Bei ihrer Rückkehr lehnte sie sich immer an die Wand ihres Lagers, und rutschte langsam daran herunter. Automatisch schob sie so mit ihrem Leib die Kleinchen zur Seite, so dass keines unter ihr zu liegen kam.

Findus´ Tage waren angefüllt mit Milchgeben, die Jungen putzen, das Nest sauber halten und so weiter. Unsere Menschen durften immer noch nicht in ihre Nähe. Und ich auch nicht. Das machte mich sehr traurig. Wie gern hätte ich ihr geholfen, die Babys zu wärmen. Nur auf ihren kurzen Spaziergängen schaute sie ab und zu bei mir vorbei. Sie roch so gut nach Milch und den Kindern. Trotzdem sah man ihr nach drei Wochen an, dass sie dringend Ruhe und Erholung brauchte. Ihre Zitzen waren blutig und ihre Bauchdecke total zerkratzt von den scharfen Krallen unserer Kinder. Zwar hatte sie immer noch ausreichend Milch, aber die Fütterung verursachte ihr Qualen. Doch erst nachdem die Kleinen vier Wochen alt waren, ließ Findus es zu, dass die Menschen ihr zur Hilfe kamen. Sie selbst konnte die Babys nicht mehr stillen.

Findus lag jetzt wieder an der Kette. Das war ein Glück für mich: sobald ich meinen Freigang hatte, schlich ich mich zu meinen Drollies. Sie saßen bei schönem Wetter in ihrem Körbchen in der Sonne oder tollten herum. Ich legte mich so gern neben ihren Korb. Sie hatten überhaupt keinen Respekt vor mir. Sie krabbelten auf mir herum, bissen in meine Ohren oder jagten meinen Schwanz.
Ich war so glücklich, wenn ich mit ihnen zusammen sein konnte. Was für ein Glück ist es doch, Vater zu sein!

Bei zehn Kindern nicht den Überblick zu verlieren, ist keine Kleinigkeit. Trotzdem entwickelte ich eine ganz besondere Vorliebe für eines der Mädchen. Sie war stärker als jeder Junge, mutig und wunderschön. Sie wurde mir von Tag zu Tag ähnlicher.

Mir scheint, diese Vorliebe wurde nicht nur von Findus, sondern auch von unseren Menschen geteilt. Nachdem wir uns schweren Herzens von neun Kindern trennen mussten, verblieb allein Kim auf der Finca. Das war ein großes Glück – ein noch größeres wäre es gewesen, hätte man uns alle zusammen gelassen.




Kim schien anderer Ansicht zu sein. Sie gefiel sich sofort in der Rolle des Einzelkindes. Wie auch nicht, konzentrierte sich doch jetzt alle Liebe ihrer Eltern und die der Menschen auf dieses süße Wesen. Sie wurde sehr verwöhnt. Sie liebte Ihre Mutter und mich – und zu meinem Leidwesen auch den Gremlin!

Ja, der war ein Kapitel für sich. Welche Auseinandersetzungen ich bereits mit ihm hatte! Man mag mir glauben: jegliche Aggression liegt mir fern – Menschen und Artgenossen gegenüber. Aber was sich dieser Zwerg herausnahm, war selbst für mich zu viel. Und dann noch vor den Augen dieser niedlichen Maximiliane! Das konnte und wollte ich mir einfach nicht bieten lassen. Gremlin war das verzogene Schoßhündchen unserer Menschen. Er dufte fast immer im Haus sein, wurde oft im Auto mitgenommen und hüpfte bei Herrchen oder Frauchen auf den Schoß gerade wie es ihm gefiel. Maximiliane betrachtete er als sein persönliches Eigentum. Seine eigenen Grenzen abzuschätzen, schien ihm fremd. Wie sonst hätte er auf die Idee kommen können, mich anzugreifen? Er geht mir gerade bis zum Knie und ist ein Ausbund an Hässlichkeit. Sein Unterkiefer und seine unteren Zähne stehen soweit hervor, dass er nicht einmal das Maul zubekommt.

Er war ein kleiner Giftzwerg und hatte es geschafft, sich die Sympathie meiner Tochter zu erschleichen. Allerdings zu einer Zeit, als die beiden ungefähr die gleiche Größe hatten. Gremlin hat sich damals sicher gefreut, endlich einen Artgenossen in seiner Höhe zu haben. Dieser Depp merkte gar nicht, wie Kim ihn von Tag zu Tag mehr über den Kopf wuchs – im doppelten Sinne. Zwar war es nur eine Frage der Zeit, wann Kim ihn über hatte, aber mir wurde sie lang.
Kein Wunder also, dass sich zwischen Gremlin und mir keine Freundschaft entwickeln konnte. Aber all diese Störungen konnten meinem Glück nichts anhaben. Kim war den ganzen Tag frei und verbrachte ihre Nächte oft bei mir in der Hütte.
Dem Himmel sei Dank war Findus niemals eifersüchtig. Sie begriff wohl, dass ich unsere Tochter über alle Maßen liebte und ihr ganz bestimmt nicht wehtun würde.


Die Zeit verging wie im Fluge. Seit Kim bei uns war, ging es mir viel besser. Meine Lebenseinstellung war lange nicht mehr so negativ wie früher und die Depressionen kamen nur noch selten. Das Leben war so schön geworden. Auch mit unseren neuen Menschen war ich sehr zufrieden. 



Immer lagen saubere, warme Decken in meiner Hütte, zweimal am Tag gab es frisches Wasser und das Futter war so lecker, wie ich es so bisher nicht kannte. Vorbei waren die Zeiten des getrockneten Brotes und der seltenen Freiheiten. Frauchen nahm mich oft mit ins Tal und ließ mich so lange herumlaufen, bis ich aus Müdigkeit von allein wieder heim wollte. Wir lebten gut, doch auch sie wollten gut leben. Und das war das einzig wirkliche Problem: Sie fuhren oft ins Dorf zum Einkaufen oder zum Essen. Und sofort überkam mich wieder die alte Angst des Verlassenwerdens. Aber schon lange legte ich mich nicht mehr voller Trauer und Angst in meine Hütte – ich war wütend! So wütend, dass ich manchmal kaum noch wusste, was ich tat. Dann zerbiß ich meinen Futternapf aus Plastik, oder sogar den großen Eimer mit frischem Wasser. Unsere Menschen waren darüber nicht sehr begeistert, doch niemals erhoben sie die Hand gegen mich. Ich glaube, sie verstanden meine Ängste und Sorgen Frauchen versuchte wieder und wieder zu erklären, dass sie mich niemals allein zurücklassen würde. Doch es nützte alles nichts. So bekam ich einen Futternapf aus Metall und mein Wassereimer wurde eingemauert. Hm.....











                           K I M



Bald werde ich zwei Jahre alt. Eigentlich ein erwachsenes Mädchen, nicht wahr? Aber meine Kindheit hört und hört nie auf. Immer noch spiele ich am liebsten mit Paps. Zwar sind unsere Spiele etwas grober geworden, aber es macht ihm immer noch Spaß, sich mir zu unterwerfen. Nie wären wir auf die Idee gekommen, es auf eine ernsthafte Kraftprobe ankommen zu lassen. Er war schwerer als ich, dafür war ich wendiger. Seine Tricks hatte ich alle drauf. Aber wir hatten uns viel zu lieb, um einen richtigen Kampf aufzuführen. Warum auch?

 



Als ich 18 Monate als war, fing meine Mutter total an zu spinnen.

Vater und ich beobachteten, wie sie all unser Spielzeug einsammelte. Bunte Gummibälle und Quietschfiguren, die sie zu ihrem Lager trug. Dann legte sie sich dazu und drückte die Spielsachen an ihre Zitzen als wären sie Babys. Irre! Niemand durfte es wagen, auch nur ein Teil wegzunehmen. Dann wurde sie richtig böse. Weder Hondo noch ich näherten uns ihr, denn Mama war eine Respektsperson für uns alle.

Gott sei Dank hörten diese Anwandlungen nach ein paar Tagen auf. Dafür musste ich dann herhalten. Sobald mich meine Mutter
erwischte, wurde ich geputzt, geschleckt und sie knubbelte an mir herum. Das ging mir ganz schön auf die Nerven.


Ich habe nie verstanden, wieso Maxi und Gremmi so wild darauf waren, mit Herrchen und Frauchen ins Auto zu steigen. Das änderte sich, nachdem ich zum ersten Mal eingeladen wurde. Am Anfang wurde mir ganz wirr im Kopf, wenn die Landschaft so an mir vorüberraste. Doch es machte Spaß und mit der Zeit wurde ich eine routinierte Mitfahrerin. Kurven liebte ich am meisten – es konnte gar nicht schnell genug gehen. Spaß machte es vor allem, unser Auto zu bewachen, wenn die Menschen mich darin allein ließen. Nach wie vor mochte ich keine Zweibeiner – außer unseren eigenen, an die ich mich gewöhnt hatte. Sie jedoch schienen ganz wild nach mir zu sein. Sie traten ans Auto, in dem sich ein ach so ‚niiiiieeeeeedlicher’ und ‚süüüüssser’ Wauwi befand. Ich ließ sie ganz ruhig herankommen, fast bis sie sich die Nasen am Fenster platt drückten, um dann wild aufzuspringen und ihnen meine gebleckten Zähne zu zeigen. Mit einem Satz waren sie verschwunden. Ein herrliches Gefühl der Macht überkam mich jedes Mal. Der arme Gremi... dieses Gefühl wird ihm ewig fremd bleiben.

Auch das Meer lernte ich kennen. Es sah aus wie eine Riesenpfütze, schmeckte jedoch fürchterlich. Aber es war ein großes Vergnügen, mit den Pfoten darin zu stehen und in die langen, weißen Schaumkronen zu beißen.




Und sogar in ein Restaurant haben sie mich mitgenommen – allerdings nur auf die Terrasse. Ich fürchte jedoch, dass es bei diesem einmaligen Besuch bleiben wird. Und dabei wollte ich meine Menschen doch nur vor diesem fremden Menschen in schwarzer Hose und weißem Hemd beschützen. Er versuchte, ihnen die Teller wieder wegzunehmen. Das habe ich natürlich verhindert. Der wagte sich nicht mehr in unsere Nähe. Warum Frauchen dann aufstand und die Teller freiwillig zurückbrachte, kann ich nicht sagen.  





Gremi und mein Vater hatten kein besonders inniges Verhältnis zueinander. Das zeigte sich nebenbei auch durch ihre übertriebenen Platzansprüche. Damals verstand ich nicht, warum Vater überall dort sein Bein heben musste, wo der Gremi es vorher getan hatte. Umgekehrt war es genauso.

Eines Tages war mein Vater mal im Inneren der Finca gewesen. Als Gremi später seinen Duft wahrnahm, flippte der kleine Kerl völlig aus. Natürlich hatte mein wohlerzogener Vater dort drinnen keine Marke gesetzt, aber Gremlin roch trotzdem, dass Hondo in sein Reich eingedrungen war. Und was macht dieser Wahnsinnige? Er versuchte Papas Duft durch einen kräftigen Strahl zu überdecken. Dieses Verhalten war von unseren Menschen streng verboten. Doch sicherlich wäre nichts Ernsthaftes passiert, hätte Gremlin nicht ausgerechnet eine Steckdose erwischt. Es ist unfassbar, dass ihn selbst nicht sofort der Schlag getroffen hat. Aber im gesamten Haus wurde es plötzlich dunkel. Der Strom war ausgefallen.

Unsere Menschen hatten von diesem Vorfall nichts mitbekommen (ein Glück für den Kleinen) und es begann eine wilde Sucherei. Da wurden Sicherungen heraus- und hineingedreht, Geräte abgeschaltet, Lampen und der Herd untersucht. Nichts! Selten habe ich unsere Menschen so ratlos gesehen. Dann endlich entdeckte Frauchen den kleinen See auf dem Wohnzimmerboden. Und direkt über diesem See befand sich an der Wand eine Steckdose. Der Sünder stand fest. Gremlin hatte sich aus Sicherheitsgründen schon lange unter das Sofa verzogen. 





Er wurde herausgezerrt und (sehr milde) ausgeschimpft, doch bei dem Gelächter und Gekichere meines Frauchens konnte das keiner sehr ernst nehmen. Typisch Gremi! Der hatte eben immer Glück.

Überhaupt ist dieser kleine Wicht der schlimmste Racker der Finca. So klein er ist, so potent scheint er zu sein. Nun hat er schon seine schöne Maxi, aber das genügt ihm nicht. Sobald unsere Menschen einmal nicht aufpassen, zischt er sofort zur Nachbarfinca. Der Bauer dort hält sich drei Podenco-Mädchen.

Sie sind schön und schlank, aber alle drei eine ganze Ecke größer als Gremlin. Doch so was hat ihn ja nie interessiert. Und wie er den Berg hinunter fliegt zu den Hündinnen – hui, die Ohren flattern nur so und die kurzen Beinchen berühren kaum noch den Boden. Die drei Damen begrüßen ihn sicher immer mit großer Freude. Sie führen ein trauriges Dasein, da sie nur zur Jagdsaison von ihren Ketten freikommen. Mit denen möchte ich nicht tauschen.

Dann sitzt der kleine Lüstling zwischen seinen Freundinnen und lässt sich abschlecken und verwöhnen. Wie ein Gockel führt er sich auf und tut wahrscheinlich mal wieder so, als kenne er die ganze Welt. Wenn das die Maxi sehen könnte.

Wenn er von den Mädels genug und sich aus ihren Näpfen bedient hat, kommt er mit hängender Zunge und total nass gematscht wieder heim. Er ist schon ein richtiger Hans-Dampf. Über eines sind wir fünf auf der Finca uns vollkommen einig: das Leben sollte immer so weitergehen.

Natürlich wäre es gemütlicher, nur mit Mama, Papa und den beiden Menschen hier zu leben, aber auf der anderen Seite: ohne die Maxi und den Gremi wäre nur halb soviel los bei uns zu Haus!





Ich für meinen Teil liebe das Leben auf der Finca. Die unterschiedlichen Jahreszeiten, die vielen Tiere im Gras und den Büschen, meine Eltern und – inzwischen sogar – unsere Menschen.

Wenn es doch immer so bliebe. Ich wäre bestimmt der glücklichste Hund auf dieser Welt.




© Lilac Namez, Spanien 1995









































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